Streuner und Sterne in "Space Dogs"

16. März 2021
Bildteil

Bevor sie zu den Sternen flog, lebte sie auf der Straße.
Ähnlich wie in Hans Christian Andersens grausamen Märchen "Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern" geschieht dies 1957 der russischen Hündin Laika. Der österreichische Dokumentarfilm "Space Dogs" begibt sich auf die Spuren der Straßenhündin Laika, die als erstes Lebewesen ins All geschickt wurde und auf ihrem Rückweg zur Erde verglühte. Ihr Geist, so der Off-Erzähler, sei der Legende nach als Sternschnuppe über Moskau niedergegangen und beseele seitdem die Straßenhunde der Stadt.

Das Regie-Duo Elsa Kremser und Levin Peter recherchierten knapp zwei Jahre lang in Archiven und führten Gespräche mit Zeitzeugen. Wissenschaftler und Ärzte kommen im Film jedoch nur auf der Bildebene in Form von körnigem Filmmaterial aus den sowjetischen Archiven vor.

Die Schauspielgröße Aleksey Serebryakov, bekannt aus "Leviathan" oder "McMafia", erzählt als russische Stimme aus dem Off in sphärischer Prosa die Geschichte Laikas nach und geizt dabei nicht mit Pathos und lyrischen Ausschmückungen. Verwoben mit bisher unveröffentlichtem Filmmaterial aus der Ära der sowjetischen Raumfahrt formt sich eine magische Erzählung über die Moskauer Straßenhunde von ihrem Aufstieg in den Weltraum genauso wie vom Leben am Erdboden.

Denn der Großteil des Filmes spielt sich auf den Straßen Moskaus ab. Hier folgt der Film einem Ensemble aus Straßenhunden, die in der grauen Kälte der russischen Hauptstadt ein raues und unerbittliches Leben zu bestreiten haben. Diese Tiere leben dort, wo die Stadt Risse bekommt und die menschliche Kontrolle schwindet. Die streunenden Hunde treffen selten auf Menschen und wenn doch, dann auf ebenso verstoßene Randexistenzen.

Die Kameralinse fixiert die kalte Schnauze

Das Regie-Duo Kremser/Peter verbrachte ein halbes Jahr in den Straßenschluchten der Metropole, und diese Intimität ist in den entstandenen Bildern stets spürbar. Auf der Leinwand bekommen so die oft verhassten Streuner einen Platz eingeräumt, der normalerweise berühmten Hollywood-Stars vorbehalten ist.

Die Kamera bleibt dabei konsequent und buchstäblich auf Augenhöhe mit den tierischen Protagonisten, sodass wir nicht nur einen Blick auf den Alltag der Hunde werfen können, sondern vor allem eine distanzierte Perspektive auf uns Menschen bekommen.
"Als wir in Archivaufnahmen sahen, wie ein Hund im All minutenlang in die Kamera blickt, entstand eine zentrale Frage dieses Films: Was sehen die Hunde in uns Menschen?", erklären die beiden RegisseurInnen ihre Motivation.

In der brutalsten Szene töten zwei der Hunde eine Hauskatze aus reinem Jagdtrieb, die Kamera und vor allem die Tonangel bleiben Minuten ganz nah dran. Es wirkt wie ein Echo der Gewalt, wenn die Archivbilder wenig später zeigen, wie Laika und ihren Artgenossen zuerst medizinische Messgeräte eingesetzt werden, um sie anschließend einem Zentrifugen-Test zu unterziehen.

Himmelfahrtskommando wird kosmisches Treibgut

Der beste Freund des Menschen wurde als Himmelfahrtskommando vorgeschickt, um als Versuchsobjekt im Namen des Menschen den Weltraum zu erobern. Mindestens 48 Hunde wurden im Kalten Krieg um den Kosmos von der Sowjetunion in die Schwerelosigkeit geschossen, die genaue Zahl ist bis heute unklar. Die Amerikaner setzten auch Schimpansen und ein Schwein als Testpiloten für die Raumfahrt ein.

"Space Dogs" dokumentiert in düsterem Ton diese grausame Periode der Menschheitsgeschichte. Zu Beginn des Filmes wird Laikas toter Körper als "kosmisches Treibgut" beschrieben. Die Tierversuche auf dem Weg zu den Sternen sind so gesehen vielleicht nur zertretene Muscheln unter dem Fußabdruck, die der spätere "große Schritt für die Menschheit" hinterlassen hat.

"Space Dogs" ist ab 16. April in den österreichischen Kinos zu sehen. Am 20. April sind RegiseurInnen Elsa Kremser und Levin Peter zu Gast im Rio-Kino in Feldkirch, um nach dem Film Rede und Antwort zu stehen.