Social Design

Bewohnerfreundliche Städte, Initiativen zur Integration von geflüchteten Menschen, ein Webstuhl zur Existenzgründung oder ein Solarkiosk für die lokale Stromversorgung: Social Design bedeutet Gestaltung für die Gesellschaft und mit der Gesellschaft. Das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (MKG) präsentiert ab dem 29. März 2019 in der Ausstellung "Social Design" 25 internationale Projekte aus den Bereichen Urbaner Raum und Landschaft, Wohnen/Bildung/Arbeit, Produktion, Migration, Netzwerke und Umwelt. Die Entwürfe reichen von neuen Infrastrukturen und der Rückeroberung der Städte durch ihre Bewohner*innen über das Haus zum Selberbauen bis zum Filter für sauberes Wasser. Sie zeigen einen Ausschnitt aus der Bandbreite an gegenwärtigen Betätigungsfeldern des Social Design und erklären somit einen allgegenwärtigen, aber immer noch unscharfen Begriff des Design.

Die Folgen der global agierenden Wachstumsökonomie werden für Menschen und Umwelt immer gravierender. Social Design stellt sich dem zunehmenden Ungleichgewicht in Bezug auf Ressourcen, Produktionsmittel und Zukunftschancen und setzt auf einen neuen, gleichberechtigten Austausch zwischen Individuum, Zivilgesellschaft, Staat und Wirtschaft auf der Basis von Dialog und Partizipation. Immer geht es dabei auch um die Emanzipation aller Beteiligten in Verbindung mit Freiheit, Gemeinschaft und Gerechtigkeit. Wie auch schon in früheren Krisenzeiten stehen die Entwicklung einer weltoffenen sozialen Kultur und die Neugestaltung von sozialen Systemen, Lebens- und Arbeitsumgebungen, die eine Welt als Ganzes im Blick haben, zur Diskussion. Vor diesem Hintergrund entwickeln Architektinnen, Designerinnen, Handwerkerinnen und Ingenieurinnen Lösungsansätze. Ihrer Auswahl zugrunde liegen Kriterien wie etwa die soziale und gestalterische Qualität des Projekts, die Transparenz des damit verbundenen Prozesses, der Dialog mit den projektbeteiligten Menschen und deren Partizipation, ihr Empowerment im Sinne eines Aufbaus eigener Existenzgrundlagen, die Transformation gesellschaftlicher Bedingungen und die Nachhaltigkeit der Initiativen. Im integrierten Forum bezieht die Ausstellung zudem Wissen, Meinungen und Ideen von Besucherinnen und Besuchern mit ein.

Im Zuge der Ausstellung wird sich das MKG mit seiner eigenen Rolle als zivilgesellschaftlicher Akteur in einer vielstimmigen urbanen Öffentlichkeit auseinandersetzen und hat sich vorgenommen, auch außerhalb der Museumsmauern aktiv in die Stadt hinein zu wirken. Dazu realisiert das MKG gemeinsam mit ConstructLab, einer europäischen Plattform für kollaborative und experimentelle Konstruktionen, ein prototypisches Social Design Projekt, das sich mit den sozialen Fragen beschäftigt, die in der unmittelbaren Umgebung des Museums aufgeworfen werden. Eine dialogorientierte Kartografierung des Museumsumfeldes wird Handlungsfelder für einen fortlaufenden Gestaltungsprozess offenlegen, welcher im Rahmen der Ausstellung als "work in progress" für die Besucher*innen nachvollziehbar sein wird. In einem zweiten, ebenfalls neu entwickelten Ausstellungsmodul werden ausgewählte Social Design-Initiativen aus Hamburg vorgestellt und mit ihnen partizipative Angebote wie Workshops, Stadtrundgänge oder Diskussionsrunden entwickelt.

2018 leben 55 Prozent der Weltbevölkerung in Städten, bis 2050 werden es voraussichtlich 68 Prozent sein. Wie eine nachhaltige urbane Entwicklung aussehen kann, zeigt das interdisziplinäre Kollektiv Assemble, das zusammen mit den Anwohnern eines Quartiers in Liverpool an einer nachhaltigen und schrittweise wachsenden Zukunftsvision für das Viertel arbeitet. Sie renovieren Wohnhäuser und öffentliche Flächen, schaffen aber auch neue Arbeitsmöglichkeiten und unternehmerische Chancen. In Berlin-Neukölln ist "Die Gärtnerei" entstanden. Raumlaborberlin und die Schlesische27 sowie zahlreiche anderen Beteiligte haben mit einem Team von geflüchteten Menschen einen Garten angelegt und bewirtschaftet. Parallel dazu bauten sie ein leerstehendes Gebäude zu einem nachbarschaftlichen Treffpunkt und einer Schule für Alltags- und Praxiswissen um, in der sich die Beteiligten gegenseitig ihre Kultur und Sprache vermitteln. Inzwischen ist die Gärtnerei Teil des Projekts Coop Campus, das einem wachsenden Netzwerk die Möglichkeit eröffnet, sich in einem partizipativen Prozess an der Entwicklung einer offenen Stadtgesellschaft zu beteiligen.

Andere Projekte konzentrieren sich darauf, eigene Existenzen aufzubauen. Sie versuchen nicht nur die Lebensgrundlagen von Menschen zu sichern, die sonst keine Arbeit haben, sondern ihnen auch eine selbstbestimmte Arbeit in ihrem gesellschaftlichen und kulturellen Umfeld zu ermöglichen. Mit seinem Flying8-Webstuhl, den er 2009 während eines Webworkshops in Äthiopien entwickelte, revolutionierte Andreas Möller das Handwerk des Webens und ermöglichte Existenzgründungen in bereits über 20 Ländern auf vier Kontinenten. Neben den staatlichen Programmen bemühen sich verschiedene Initiativen, geflüchteten Menschen beizustehen und ihnen im Ankunftsland Integrationsangebote zu machen, die auf Austausch und Empowerment beruhen. Das magdas Hotel in Wien beweist, wie man ein nachhaltiges soziales Projekt auf die Beine stellen kann. Das sich wirtschaftlich selbsttragende Modellprojekt hat 20 Arbeitsplätze für anerkannte Flüchtlinge aus 16 Nationen geschaffen, die zusammen mit zehn Fachkräften aus der Hotellerie arbeiten.

Weltweit müssen über eine Milliarde Menschen ohne Elektrizität auskommen, davon allein 600 Millionen in Afrika. Der Solarkiosk von Graft und Andreas Spiess schafft ein Stück Infrastruktur: Er liefert nicht nur nachhaltige Energie, sondern ist auch ein Service- und Kommunikationszentrum, das mit seinen vielfältigen Angeboten direkt in die Gemeinschaft hineinwirkt – als Verteilstation, als Existenzgrundlage für seine lokalen Betreiber, als Arbeitsplatz, Informationsbörse, Gesundheitsdienstleister und Veranstaltungsort. Social Design bedeutet auch, Vorschläge für einen nachhaltigen Umgang mit der Umwelt zu machen, der ein menschenwürdiges Leben ermöglicht und gesellschaftliche und kulturelle Kontexte respektiert. Eines der Projekte der Slow Food Stiftung für biologische Vielfalt und Terra Madre ist die Einrichtung von 10.000 Gärten in Afrika. Seit 2010 sind bereits mehr als 3.000 Gärten in Schulen, Dörfern und den Außenbezirken von Städten in 35 afrikanischen Ländern entstanden. So will Slow Food eine Landwirtschaft fördern, die auf der Kenntnis des Terrains sowie dem Respekt für die biologische Vielfalt und lokalen Kulturen fußt.


Social Design
29. März bis 27. Oktober 2019
Eröffnung: 28. März 19, 19 Uhr