Smart und raffiniert – Meisterdiebe im Kino

13. Juli 2015 Walter Gasperi
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"Ocean´s Eleven" ist nur ein markantes Beispiel, wie sehr ein großes Kinopublikum Gefallen an raffiniert geplanten Einbrüchen findet. Aber was sind die Gründe für dieses durchaus anarchistische Vergnügen? – Das Kinok in St. Gallen widmet sein heuriges Open-Air-Kino Meisterdieben und spannt bei den 15 Filmen den Bogen von Hitchcocks "To Catch a Thief" bis zu Spike Lees "Inside Man".

Verbrecher sind im Grunde die Protagonisten von Hitchcocks "To Catch a Thief" ("Über den Dächern von Nizza", 1955), die Kumpels, die George Clooney in "Ocean´s Eleven" (2001) und dessen Fortsetzungen um sich versammelt, der Bankräuber in Spike Lees "Inside Man" (2006). – Und doch fiebert der Zuschauer mit ihnen mit, bangt um sie statt ihre kriminelle Energie und ihre Taten zu verurteilen.

Dass diese Strategie der Filmemacher immer wieder aufgeht, hat mehrere Gründe. Erstens sind das immer äußerst smarte Protagonisten, die hier zu Werke schreiten, zweitens macht es das Erzählen aus ihrer Perspektive dem Zuschauer fast unmöglich, ihrem Charme nicht zu erliegen, drittens sind das Profis, die ihr Handwerk perfekt beherrschen, sehr überlegt und raffiniert vorgehen, Köpfchen vor physische Gewalt setzen und Personenschaden möglichst vermeiden wollen. Und schließlich sind ihre Opfer meist Mächtigere oder Institutionen, sodass sich der Zuschauer diebisch darüber freut, dass ihnen eins ausgewischt wird.

Hier wird eben einerseits der Wunsch des Publikums selbst so smart, gewieft und perfekt zu sein, andererseits auch dessen Freude an der Regelübertretung bedient, der kleine Schritt abseits der Bahnen des Gesetzes, den man noch mit seinem Gewissen vereinbaren kann, weil keine Menschen zu Schaden kommen.

Der Aufbau dieser "Heist-Movies" ähnelt sich zwar im Großen meist, überrascht aber immer wieder durch Wendungen im Detail. Am Beginn wird meist ein Objekt des Diebstahls ins Auge gefasst, fallweise schart der Meisterdieb in der Folge Helfer um sich, von denen jeder auf einem speziellen Gebiet ein Experte ist. Anschließend folgen die exakte Planung des Hold-ups und schließlich die Durchführung. Die Spannung wird dabei beim Einbruch dadurch gesteigert, dass diese zentrale Aktion vielfach fast in Echtzeit geschildert wird. Unmittelbar nimmt man so am Einbruch teil, ist nicht distanzierter Zuschauer, sondern quasi Teil des Unternehmens.

Gleichzeitig arbeitet das "Heist-Movie" dabei auch mit klassischem Suspense statt mit Schockmomenten, verschafft dem Zuschauer vielfach durch Parallelmontage zwischen Dieb und Polizei, Wachpersonal oder Konkurrenten aus der eigenen Branche, einen Wissensvorsprung gegenüber den Protagonisten, durch den die Spannung konstant hoch gehalten wird.

Gleichzeitig wird aber auch oft mit überraschenden Wendungen gespielt, die die Einbrecher und auch den Zuschauer immer wieder mit einer ganz neuen Situation konfrontieren, oder aber auf mehreren Ebenen getrickst.

So muss Cary Grant in "To Catch a Thief" einen Nachahmungstäter enttarnen, um den Verdacht von sich selbst abzulenken. Jeder gegen jeden heißt es dagegen in Spike Lees "Inside Man", in dem auch der Bankdirektor und seine Angestellte eigene Ziele verfolgen, gleichwohl der Bankräuber der große Strippenzieher im Hintergrund bleibt.

Meist geht es bei diesen Filmen auch nicht um schnödes Geld, sondern erst einmal um ein lustvolles Katz-und-Mausspiel, dann auch darum einem persönlichen Feind eins auszuwischen wie in "Ocean´s Eleven" oder Michael Radfords "Flawless" (2007), oder darum der Gerechtigkeit, die in "Inside Man" in einem gravierenden Fall versagt hat, nachzuhelfen.

Das Diebesgut, bei dem es sich meist nicht um Geld, sondern um ein edles Sammlerstück, Kunstwerk oder Diamanten handelt, ist meist nur ein McGuffin, ein Vorwand um die Handlung in Gang zu bringen. Briefmarken sind das in Fabian Bielinskis "Nueve reinas" (2000), den Gregory Jacobs mit Produzent Steven Soderbergh vier Jahre später wenig erfolgreich unter dem Titel „Criminal“ (2004) neu verfilmte, Smaragde in einer Vitrine im Istanbuler Topkapi-Palast in Jules Dassins "Topkapi" (1964). Nicht ungern wird dabei – wie in "Nueve Reinas" oder William Wylers "How to Steal a Million?" (1966) - auch mit Fälschungen Verwirrung gestiftet und die Handlung zugespitzt.

Auch Gold bietet sich als Objekt der Begierde an, wie im Bond-Film "Goldfinger" (1964), in dem es der Gegenspieler des britischen Superagenten auf die US-Goldreserven in Fort Knox abgesehen hat. Hier freilich liegen die Sympathien bei 007, wird doch aus dessen Perspektive erzählt, während der von Gert Fröbe gespielte größenwahnsinnige Verbrecher als Sadist gezeichnet wird. Ganz unter sich bleiben die Diebe und ihr Hehler dagegen in David Mamets "Heist", 2001), in dem es auch um einen coolen Goldraub geht, bei dem sich die Gauner aber bald gegenseitig auszutricksen versuchen.

So entwickelt sich der Reiz beim "Heist-Movie" auch daraus, dass man nicht nur raffinierten Gangstern zuschaut, sondern auch der Raffinesse eines Regisseurs, der mit dem Zuschauer spielt, ihn immer wieder düpiert, und sich selbst als genauso brillanter Strippenzieher wie seine Figuren erweist.

So professionell wie die Diebe zur Tat schreiten, so souverän ist im Idealfall die Inszenierung. Weil Protagonisten und Regisseur dabei immer Herr der Lage sind, die Dinge sicher im Griff haben, ist auch der Erzählton in der Regel leicht. Selten geht es hier bierernst zu, meist wird Spannung mit Witz und Charme gemischt, sodass sich prickelnde Champagnerstimmung verbreitet und man gleichermaßen gespannt wie entspannt und amüsiert das Geschehen auf der Leinwand verfolgt – vor allem aber unbeschwert und in vollen Zügen genießt.

Trailer zu "To Catch a Thief"