The Sleeping Eskimo

Die international gefeierten portugiesischen Künstler João Maria Gusmão & Pedro Paiva halten in ihren Filmen, Skulpturen, Fotografien und Camera obscura-Installationen magische Momente des Alltags fest. Sie entführen die Betrachtenden auf eine faszinierende Reise ins Reich des Rätselhaften. In der Einzelschau im Aargauer Kunsthaus verbindet sich das filmische, plastische und fotografische Werk auf neue und einmalige Weise. Viele der gezeigten Arbeiten sind eigens für die Ausstellung entstanden.

João Maria Gusmão (*1979) und Pedro Paivas (*1977) Interesse gilt Situationen, in denen rational Erklärbares und mystische Begebenheiten aufeinander treffen. In ihren Filmen, Skulpturen, Fotografien und Camera obscura-Installationen fangen die portugiesischen Künstler die magischen Momente alltäglicher Szenen und beiläufiger Gesten ein: den Flügelschlag eines Papageis, ein Spiegelei in der Pfanne, ein sich drehendes Rad. Es sind poetisch-philosophische Betrachtungen der Welt, welche sie mit der Kamera festhalten und auf Zelluloid oder Fotopapier bannen oder in Bronze giessen.

Gusmão & Paiva kreieren seit 2001 ein faszinierendes OEuvre, das früh internationale Aufmerksamkeit hervorgerufen hat. Spätestens seitdem sie 2009 Portugal an der 53. Biennale in Venedig vertreten haben, werden sie von der internationalen Kunstszene gefeiert. Durch wichtige institutionelle Einzelausstellungen haben sie sich in jüngster Zeit als führende Vertreter des zeitgenössischen Kunstschaffens etabliert. Die Künstler waren im Rahmen der thematischen Schau "Rhythm in it" (2013) mit einer Filmprojektion ein erstes Mal im Aargauer Kunsthaus präsent. Das Kunsthaus holt das erfolgreiche Künstlerduo nun für eine umfassende Einzelausstellung zurück in die Schweiz. Ein Schwerpunkt der Schau liegt auf aktuellen filmischen Arbeiten, die im Rahmen eines mehrwöchigen Japanaufenthaltes des Künstlerduos entstanden sind. Eigens für die Ausstellung in Aarau produziert, werden diese neuen Filme ausgewählten älteren Arbeiten gegenübergestellt und in beeindruckenden, raumfüllenden Installationen orchestriert.

In Ergänzung dazu werden neue, noch nie gezeigte Fotografien und Bronzeskulpturen präsentiert, die vom Witz und Hintersinn zeugen, mit dem Gusmão & Paiva ihr Publikum spielerisch verführen. Zum ersten Mal stellt das Künstlerduo die bis anhin selten gezeigten Bronzeskulpturen zusammen mit filmischen und fotografischen Arbeiten aus. Diese Verzahnung der bis anhin parallelen Schaffensbereiche ermöglicht den Besucherinnen und Besuchern in Aarau, neue und überraschende Querbezüge zwischen den unterschiedlichen Werkgruppen herzustellen und vertiefte Einsichten in dieses vielschichtige OEuvre zu gewinnen.

In ihren Skulpturen untersuchen die in Lissabon lebenden Künstler unser Verhältnis zur Realität, um dieses dann mit analytischer Präzision, Feingefühl und Humor auf den Kopf zu stellen. Die aus Bronze gegossenen Objekte repräsentieren alltägliche Gegenstände und Situationen, Motive aus Comics, Gebäude und immer wieder Figuren und Tiere. Durch das Zusammenspiel zwischen Titel und Werk und durch ungewöhnliche Konstellationen erfahren die Skulpturen eine mitunter surreale Bedeutungsverschiebung. Die Künstler bewegen sich dabei immer wieder auf der Grenze zwischen dem statischen Medium der Bronzeplastik und dem bewegten Medium des Films, indem sie Skulpturen schaffen, die einen zeitlichen Verlauf darstellen, wie etwa das Drehen des Spielgeleis in der Bratpfanne.

Gusmão & Paivas filmische Arbeiten zeichnen sich durch eine sparsame Bildsprache ohne Ton aus. Sie produzieren ihre Kurzfilme mit einfachen Mitteln, sie arbeiten oft mit Laienschauspielerinnen und -schauspielern oder filmen in Alltagsituationen und verzichten auf grossen technischen Aufwand. Das Filmmaterial präsentieren sie auf 16mm und 35mm Projektoren. Die Ästhetik evoziert Erinnerungen an die Ära des Stummfilms und an frühe Experimentalfilme. Mehrere Filme werden im Aargauer Kunsthaus in thematischen Konstellationen zueinander in Beziehung gesetzt. Sie verbinden sich mit dem Rhythmus der ratternden Filmprojektoren zu einer Traumlandschaft, in der Vergangenes und Gegenwärtiges aufflackert und sich überlagert

João Maria Gusmão und Pedro Paiva bezeichnen ihre künstlerische Arbeit als "erholsame Metaphysik". Philosophische und metaphysische Überlegungen sowie wissenschaftliche Experimente bilden die Grundlage ihrer Arbeiten, in denen sie anthropologisch-aufklärerische, experimentell-künstlerische und philosophisch-magische Betrachtungsweisen vereinen. Viele Werke weisen Bezüge zur Kunst-, Fotografie- und Filmgeschichte auf. Zentrale Inspirationsquellen bilden aber auch die Schriften des französischen Schriftstellers Victor Hugo (1802-1885), des Philosophen Réne Descartes (1596-1650) oder die Experimente des Fotopioniers Eadweard Muybridge (1830-1904), um nur einige Quellen zu nennen. Trotz ihres vielschichtigen Bezugsrahmens liegt den im Aargauer Kunsthaus versammelten Arbeiten von Gusmão & Paiva die Schwere theoretischer Diskurse fern. Im Gegenteil, sie entführen die Betrachterinnen und Betrachter auf eine faszinierende Reise ins Reich des Rätselhaften und laden ein, an den visuellen Experimenten des Künstlerduos teilzunehmen.


The Sleeping Eskimo
João Maria Gusmão & Pedro Paiva
30. April bis 7. August 2016