Die Wiener Galerie Thyssen-Bornemisza Art Contemporary präsentiert ab 6. Juni 2007 mit »Shooting back« eine Gruppenausstellung mit internationaler Beteiligung. Die Schau zeigt vorwiegend filmische Arbeiten aus der eigenen Sammlung, denen ein elementares Interesse an ethnografischen Untersuchungen, an identitätsbezogenen Ausdrucksformen wie Folklore, Rituale und Spiritualität sowie an Prozessen der Erinnerung und Geschichtsschreibung zugrunde liegt.
Bereits 2006 thematisierte Thyssen-Bornemisza Art Contemporary mit KÜBA: Eine Reise gegen den Strom gemeinsam mit Kutlug Ataman und in Zusammenarbeit mit Künstlern und Kuratoren aus Zentral- und Osteuropa, die Representation von Identitäten und Geschichten ethnischer Gemeinschaften im Donauraum.
Shooting Back bezieht sich auf die zugleich aktivistische als auch metaphorische (Auf-)Forderung, selbst eine Rolle im Formulieren der eigenen Identität einzunehmen und passiven Abbildungen und Festschreibungen eine parallele Geschichtsschreibung entgegenzusetzen. Der Titel entstammt dem anthropologischen Dokumentarfilm der 1950er/1960er Jahre und seinen nachfolgenden Auseinandersetzungen. Gleichzeitig markiert er einen Übergang von Formen der »passiven Repräsentation« zu verschiedenen Arten der Selbstdarstellung. Auf künstlerischer Ebene setzt diese Auseinandersetzung ein bewusstes Aufgreifen von ausgesparten, prekären oder schwer fassbaren Geschichten und Ereignissen, welche für diese einstehen, voraus. Die meisten Künstler werden dabei mit der Schwierigkeit der Abbildbarkeit einer sich »entziehenden« Realität konfrontiert, womit Strategien der Rekonstruktion, Archivierung und Aktualisierung herangezogen werden.
Die Ausstellung präsentiert 18 Arbeiten von Künstlern unter anderem aus Indien, Tibet, Taiwan, Serbien, Kroatien, China und dem Libanon, die sich wie Amar Kanwar und Sanja Ivekovic auf unterschiedlichste Weise ihrem kulturellen Erbe annähern und dessen Rolle in individuellen und kollektiven Identitätskonstruktionen untersuchen. Dabei greifen die Künstler häufig auf ein immaterielles Erbe zurück, das sich vor allem auf die Formen von Wissen und Kultur bezieht, die in der Geschichte eingeschrieben sind. So beziehen sich die Arbeiten von Amar Kanwar, Želimir Žilnik, Anetta Mona Chisa & Lucia Tkácová und Raqs Media Collective auf die langsamen/stillen Traditionen von Folklore, Narrationen, populären Liedern und dem Geschichten-Erzählen.
Diese Traditionen nehmen den Zwischenraum von kultureller Übermittlung/Überlieferung (oral history) ein und bergen gleichermaßen Geschichte, ihre Orte und Subjekte. Einzigen Zugang dazu bietet dieses ungreifbare Erbe wie es auch in der Arbeit von Tanya Hamilton – ein Archiv über die Geschichte von Jamaikas Mobile Cinema Unit – sichtbar wird. Häufig mischen sich in den Erzählungen Fiktion, persönliche und kollektive Realitäten wie in der Arbeit Woman to Go von Mathilde ter Heijne.
Shooting Back meint wörtlich die Kamera den Gefilmten zurückgeben bzw. sich selbst die Kamera nehmen, um den Blick von »der anderen Seite« einzubringen und die Beziehung zwischen untersuchendem Subjekt und untersuchtem Objekt zu hinterfragen. Die konstante Verhandlung zwischen den Betroffenen, der fortwährende Prozess von Aneignung und Rückaneignung, verlangt eine Definition von Identität, die entweder fragmentiert, additiv oder höchst subjektiv ist. Kutlug Ataman, Chen Chieh-Jen und Catherine Sullivan verwenden das Medium des Performativen, um Handlungen und Rituale zu inszenieren und erlauben so dem Betrachter die Geschichte nachzuvollziehen. Eine weitere Strategie ist es, sich Zugang zu (medialen) Produktionsmitteln zu verschaffen, um an der Produktion von Bedeutung teilzuhaben. Dieses Thema und die Abbildbarkeit von Realität an sich vor dem Hintergrund eines globalen medialen Kulturaustausches beschäftigt auch Sean Snyder in seinen Arbeiten.
Im Rahmen begleitenden Filmprogramms wird eine Auswahl filmischer Arbeiten von Filmemachern und Künstlern wie Maya Deren, Victor Burgin, Renée Green, Wim Wenders und Luís Bunuel gezeigt, die mit den Anliegen und Problematiken des Dokumentierens befasst sind.
Shooting back
6. Juni bis 28. Oktober 2007