Sexarbeit in Bern

Bis 1. August 2007 zeigt das Kornhausforum Bern die Ausstellung "Sexarbeit", die dem Thema Prostitution seriös, sorgfältig, sachlich und mit einer nötigen Prise Humor auf den Grund geht. Zwei eigens kuratierte Ausstellungsteile ergänzen das bestehende Konzept des Hamburger Museums der Arbeit.

"Unter den Lauben" dokumentiert 100 Jahre Sittengeschichte der Bundesstadt. In "Chez Grisélidis" soll das Publikum im "Centre international de documentation sur la prostitution, CIDOP" der berühmten Genfer Prostituierten Grisélidis Réal recherchieren können. Das Begleitprogramm spannt den Bogen vom Damals zum Heute und bietet neben wissenschaftlichen, gesellschaftspolitischen und kulturellen Programmpunkten auch eine umfangreiche Filmreihe im Kino Lichtspiel.

Die Ausstellung "Sexarbeit" klärt auf über Licht- und Schattenseiten von Prostitution. Ist Sexarbeit ein Beruf wie jeder andere auch? Gibt es tatsächlich das "grosse, schnelle Geld"? Wie sehen Prostituierte ihre Arbeit? Sexarbeit ist eine traditionsreiche Dienstleistung, die je nach Staatsform und Epoche toleriert, organisiert, reglementiert und integriert, oder schlicht untersagt wurde. Die Hamburger Ausstellung greift in zehn Räumen die Themen Arbeit und Arbeitsmigration, Gesundheit, Recht und Sitte, Frauen-Menschenhandel und Drogenprostitution, andere Handhabungen in Europa und Übersee, Kunde/Gast/Freier, Ahninnen sowie Kampf und Respekt auf.

In der Schweiz ist die Prostitution seit dem Inkrafttreten des Strafgesetzbuches 1942 ein legales Gewerbe und geniesst seit 1973 den verfassungsrechtlich garantierten Schutz der Wirtschaftsfreiheit. Der rechtliche Umgang ist widersprüchlich geblieben, der Umgang der Gesellschaft mit Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern bleibt ambivalent. Ausserdem: Ist von Prostitution die Rede, ist meist nicht bloss eine berufliche Tätigkeit gemeint, sondern die ganze Persönlichkeit der sich prostituierenden Frauen oder Männer. Doppelmoral, Scheinheiligkeit und Tabus sind an der Tagesordnung. Zwei speziell für das Kornhausforum kuratierte Räume fokussieren auf Schweizer Themen.

"Unter den Lauben" öffnet im Geist der übrigen Ausstellung einen vorurteilsfreien historischen Blick auf 100 Jahre Sittengeschichte der Bundesstadt: Vom Winkelbordell zum Massagesalon, von der alten Metzgergasse zum Autostrich an der Papiermühlestrasse und von den fichierten "Frauenzimmern" hin zur Tänzerin mit L-Bewilligung. Für die Hörstationen "Unter den Lauben" wurden in Zusammenarbeit mit Capital FM und Radio Canal 3 Testimonials von Menschen aus dem Milieu in Bern, Biel und Genf produziert.

In "Chez Grisélidis" kann das Publikum die Spuren der bewegten Biografie der Genfer Prostiutierten Grisélidis Réal (1929–2005) verfolgen und in deren Sammlung von Büchern und Materialien stöbern. Grisélidis Réal war in Kontakt mit so berühmten Persönlichkeiten wie Simone de Beauvoir. Sie schrieb selbst mehrere Bücher. Von Beginn an kämpfte sie an vorderster Front der Hurenbewegung, die in den 1970er Jahren in Bewegung kam. Ihre Wohnung nannte sie "Centre international de documentation sur la prostitution, CIDOP".

Das Begleitprogramm bietet verschiedene Rendez-vous im Boudoir mit illustren Persönlichkeiten aus dem Milieu, Beratungsfachleuten, Wissenschaftlern und Künstlerinnen mit Vorträge, Lesungen, musikalischen Darbietungen und Gesprächsrunden. In Zusammenarbeit mit dem Kino Lichtspiel entstand zudem eine Filmreihe mit Dokumentationen, Spielfilmen und Trouvaillen von schrägen, frechen und beklemmenden Sexualerziehungs- und Aufklärungsfilmen aus dem Lichtspiel-Archiv. Drei Filme haben in Bern Premiere: "Frau Mercedes – alt werden auf dem Autostrich" der Berner Filmemacher David Fonjallaz, Simon Jäggi und Louis Mataré (CH, 2007) , "Mort d’une putain" von Harmonia Carmona (Spanien, 2006) und "Claudette" von Sylvie Cachin (CH, 2007).

Ziel der Ausstellung ist die Information und Sensibilisierung der Öffentlichkeit im Sinne einer kritischen und liberalen Aufklärung jenseits eines häufig existierenden voyeuristischen oder verharmlosenden Blicks. Es geht darum, Respekt und Aufgeschlossenheit gegenüber unterschiedlichen Lebenswelten zu fördern. Ausserhalb der eigentlichen Ausstellung werden im Separé "Don Juan im Rotlichtmilieu" die beiden Kampagnen "Don Juan" und "Love Life – Stop Aids" von Bundesamt für Gesundheit, Aids-Hilfe Schweiz und Aids-Hilfe Bern vorgestellt. Denn die Aids-Prävention geht in der Schweiz seit einiger Zeit neue Wege: Freier werden auf der Strasse und in Etablissements in ein Gespräch verwickelt, aufgeklärt, sensibilisiert und erhalten Präservative.


Sexarbeit - Eine Ausstellung zum Thema Prostitution
1. Juni bis am 1. August 2007