Selbstständige starke Frauen: Meryl Streep

30. Januar 2012 Walter Gasperi
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Sie dominiert nicht die Klatschspalten der Boulevardblätter, sorgt nicht mit ihrem Privatleben für Aufsehen, kann aber auf - "Die eiserne Lady" eingeschlossen - 17 Oscar-Nominierungen sowie zwei gewonnene Oscars verweisen. Bei der heurigen Berlinale erhält Meryl Streep einen Goldenen Ehrenbären für ihr Lebenswerk.

Mit 17 Oscar-Nominierungen liegt Meryl Streep bei den Schauspielern und Schauspielerinnen unangefochten an der Spitze, noch vor Katharine Hepburn und Jack Nicholson mit jeweils 12, gewonnen haben diese KollegInnen die Statuetten bislang allerdings öfter. Den zwei Oscars von Streep stehen vier von Hepburn und drei von Nicholson gegenüber. Weit vor allen SchauspielerInnen und Regisseuren liegen bei den Oscar-Nominierungen freilich Walt Disney mit 59, der Filmkomponist John Williams mit 45 und die Kostümbildnerin Edith Head mit 35 Nominierungen.

Zu den klassischen Hollywood-Schönheiten ist die 1949 in New Jersey geborene Schauspielerin kaum zu zählen. Schwer täte sie sich wohl heute im Filmgeschäft Fuß zu fassen, doch in den späten 70er Jahren, in denen das New Hollywood mit seinen engagierten Filmen zwar schon wieder vorüber war, aber doch noch nachwirkte, war noch schauspielerische Präsenz wichtiger als das Aussehen.

Am renommierten Vassar College studierte die 1949 in New Jersey geborene Streep Drama, schloss ihr Studium mit einem Master of Fine Arts an der Universität Yale ab und begann mit einem Altmeister und New Hollywood-Regisseuren wie Alan J. Pakula, Robert Benton, Mike Nichols und Sidney Pollack ihre Karriere. Unter der Regie von Fred Zinnemann feierte sie im Frauendrama "Julia" (1977) ihr Leinwanddebüt, schon ein Jahr später folgten für ihre Darstellung der Jüdin Inga Helms-Weiss in der TV-Mini-Serie "Holocaust" ein Emmy und für eine Nebenrolle in Michael Ciminos Vietnam-Film "The Deer Hunter" (1978) ihre erste Oscar-Nominierung. Den ganz großen Durchbruch brachte ein Jahr später Robert Bentons "Kramer vs. Kramer" (1979). Mit fünf Oscars wurde dieses Scheidungsdrama ausgezeichnet, Streep gewann den für die beste weibliche Nebenrolle.

Wie sie hier eine Ehefrau spielt, die aus der Hausfrauen- und Mutterrolle ausbricht und Mann und Kind verlässt, aber nach einer Psychotherapie vehement um das Sorgerecht für ihren inzwischen siebenjährigen Sohn kämpft, so finden sich auch in Streeps folgender Karriere immer wieder reife und komplexe Frauenfiguren, die unabhängig ihren Weg gehen.

In Mike Nichols´ auf Tatsachen beruhendem "Silkwood" (1983) spielte sie die Angestellte einer Plutoniumsaufbereitungsanlage, die hinter einen Skandal in ihrer Firma kam, in Alan J. Pakulas "Sophie´s Choice" (1982) eine polnische KZ-Überlebende und gewann für ihre Darstellung den Oscar für die beste Hauptrolle. In Sydney Pollacks großem Afrikadrama "Out of Africa" (1985) brillierte sie ebenso wie in Karel Reisz "The French Lieutenant´s Woman" (1981).

Spielte sie bei Pollack die Dänin Karen Blixen, die 1913 mit ihrem Mann nach Kenia auswandert und dort nicht nur eine Kaffeeplantage führt, sondern auch die große Liebe ihres Lebens findet, so verwickelt sie Karel Reisz in eine romantische Liebe im viktorianischen England.

Groß aufspielen als romantisch Liebende konnte sie auch in Clint Eastwoods "The Bridges of Madison County" (1995), ihre Bandbreite stellte sie aber auch mit Komödien wie "She-Devil" (1989) und "Death Becomes Her" (1992) unter Beweis und mit Curtis Hansons "The River Wild" (1994) findet sich auch ein Actionfilm in ihrer Filmographie.

Sah man andere Schauspielerinnen ihrer Generation wie Sally Field, Sissy Spacek oder Diane Keaton im letzten Jahrzehnt kaum mehr in großen Rollen, so entwickelte sich Meryl Streep entsprechend ihres Alters weiter, spielte in Gavin Hoods "Rendition" (2007) eine eiskalte CIA-Chefin, in Robert Redfords "Lions for Lambs" (2007) eine hartnäckige Journalistin und in John Patrick Shanleys "Doubt" (2008) eine erzkonservative Nonne, die einen fortschrittlichen Priester verleumdet.

Wie als Ausgleich zu diesen ernsten und schwergewichtigen Rollen wirken ihre genüsslich gespielte zickige Chefredakteurin einer Mode-Zeitschrift in David Frankels "The Devil Wears Prada" (2006) oder ihr Auftritt in der Musicalverfilmung "Mamma Mia!" (2008).

Fast ganz auf Kinofilme beschränkt sich die Karriere der 62-Jährigen. Auf ihren Auftritt in "Holocaust" am Beginn ihrer Karriere folgten nur noch zwei Fernsehrollen ("…First Do No Harm", 1997; "Angels in America", 2003) und auch auf die Theaterbühne kehrte sie nach fast 20 Jahren Abstinenz erst 2001 wieder zurück. Unter der Regie von Mike Nichols spielte sie in einem All-Star-Team in Tschechows "Die Möwe" und 2006 spielte sie die Titelrolle in der englischen Fassung von Bertolt Brechts "Mutter Courage und ihre Kinder".

Während andere Stars mehr durch ihr Privatleben als durch ihre Arbeit für Schlagzeilen sorgen, ist bei Streep, die seit 1978 mit dem Bildhauer Don Gummer verheiratet ist, nur wenig darüber bekannt. Dafür sorgt sie mit ihren Rollen, wie jetzt mit ihrer Verkörperung von Margaret Thatcher in Phyllida Lloyds "The Iron Lady" (2011) dafür, dass sie im Gespräch bleibt. – Gut möglich, dass diese Popularität durch einen dritten Oscar noch gesteigert wird.

A Lifetime of Films: Meryl Streep