Sein Name ist Biondi, Fabio Biondi...

26. Januar 2011 Rosemarie Schmitt
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Eine der interessantesten Opernaufnahmen des vergangenen Jahres verdanken wir dem italienischen Violinisten und Komponisten Fabio Biondi. Der Barockspezialist sorgte für die Rekonstruktion von Vivaldis "Ercole sul Termodonte", die das EMI-Label Virgin Classics veröffentlichte. Antonio Lucio Vivaldi war keines dieser Wunderkinder, die sogleich nachdem sie das Laufen beherrschten, sich dem Komponieren widmeten. Dem Wunsch seines Vaters entsprechend schlug er im Alter von 15 Jahren zunächst die Priesterlaufbahn ein.

Im Jahre 1703, Vivaldi war 25, gab es in Venedig 4 (!) Waisenhäuser. Eines davon war das "Ospedale della Pietá", ein Haus in dem uneheliche und heimlich geborene Mädchen aufgenommen wurden. Der frisch geweihte junge Priester Vivaldi hatte die Aufgabe, die musikalisch besonders begabten Mädchen zu unterrichten. Er war ihr "Maestro di violino". Viele von ihnen verfügten zwar über musikalisches Talent, nicht jedoch über eine Familie und den dazugehörigen Namen. Also benannte man sie häufig nach ihrem Instrument. So gab es etwa eine "Cucieta de la viola" oder eine "Cattarina dell cornetto". So wäre ich möglicherweise "Rosemaria del violoncello" gewesen. Doch erstens war dies zur Zeit meiner Geburt nicht mehr üblich, zweitens verfüge ich über eine Familie (oder ist es andersherum?), und drittens mangelt es mir an besonderer Begabung (was das Cellospiel betrifft). Ach, dieses Thema alleine bietet mehr als ausreichend Stoff für einen Roman. Die Schriftstellerin Laurel Corona schrieb deshalb den Vivaldi-Roman "Die Geigenspielerin". Dieses Werk ist wirklich sehr interessant und lesenswert, wenn Sie mehr über diese Zeit Vivaldis erfahren möchten.

Typisch, ich komme mal wieder vom Hölzchen aufs Stöckchen. Dabei möchte ich Ihnen Vivaldis "Herkules" vorstellen. Vivaldi selbst behauptete 94 (!) Opern geschrieben zu haben. 49 konnten bisher tatsächlich als seine Werke identifiziert werden. 16 davon sind sogar vollständig in Vivaldis eigener Handschrift erhalten! Die Stoffe die er vertonte, stammen fast ausnahmslos aus der antiken Geschichte und Mythologie. In manchen Jahren schrieb er nachweislich mehrere Opern. Allerdings sind diese Werke in ihrem Aufbau mit der Oper ab dem 19. Jahrhundert nicht zu vergleichen. Zu Vivaldis Zeit komponierte man Nummernopern. Sie bestehen aus einzelnen, in sich geschlossenen Sätzen, die durchnummeriert wurden. Dies brachte den großen "Vorteil" der Austauschbarkeit. Eröffnet wurde die Oper mit der Sinfonia (der späteren Ouvertüre) und es folgten die einzelnen Szenen (Sätze).

Es gab noch eine Besonderheit der Oper dieser Zeit, die Pasticci. Hierbei handelt es sich mitnichten um eine italienische Pastete, auch nicht um ein mediteranes Pastagericht und schon gar nicht um Hochprozentiges aus Anis, Fenchelsamen und Süßholzwurzel! Die Pasticci ist eine Oper, die entweder von verschiedenen Tonkünstlern, oder aber aus allerhand anderen Werken eines Komponisten stammt. So kann es sei, daß uns selbst Passagen aus Weltersteinspielungen von Vivaldis Opern häufig bekannt vorkommen. Diese damalige Arbeits- und Vorgehensweise erklärt auch die Tatsache, daß ein 63jähriges Menschenleben ausreichen könnte, derart viele Kompositionen zu schaffen. Denn außer den Opern komponierte Vivaldi ja noch sehr viel mehr.

Sein Name ist Biondi, Fabio Biondi. Und er sorgte für die Rekonstruktion der Oper "Ercole sul Termodonte". Wie er das zustande brachte? Zum einen existiert das vollständige und authentische Libretto, zum anderen sind fast alle Arien aus unterschiedlichen Quellen vorhanden (der Vorteil der Austauschbarkeit bei der Nummernoper). In dem sehr umfangreichen und informativen Booklet erörtert Biondi die Vorgehensweise dieser Rekonstruktion sehr ausführlich. Was die Besetzung dieser Aufnahme betrifft, so ist diese unvergleichlich. Dieses Staraufgebot kann sich sehen, aber was bei einer CD-Einspielung von wesentlicher Bedeutung ist, sich hören lassen. Who is who in dieser Oper?: Rolando Villazón (Ercole), Vivicia Genaux (Antiope), Joyce DiDonato (Ippolita), Romina Basso (Teseo), Philippe Jaroussky (Alceste), Diana Damrau (Martesia), Patrizia Ciofi (Orizia) und Topi (nein, nicht Nambur!) Lehtipuu als Telamone.

Es mag sein, daß viele Nörgler Recht haben, Rolando Villazóns Stimme ist in der Tat sehr wenig barock, doch sein Name klingt wie Donnerhall. Außerdem ist sein Part, auch wenn es sich hier um den Titelhelden handelt, vergleichsweise kurz. Von einer Fehlbesetzung zu sprechen, wäre in diesem Falle weit mehr als nur unpassend! Eines jedoch hat Villazón mit Herkules ganz sicher gemeinsam, die Stärke. Herkules in physischer und Villazón in stimmlicher Hinsicht. Musik ist mehr als Wissenschaft. Musik ist etwas sehr subjektives und persönliches. Musik darf nicht nur gut, sondern sie muss darüberhinaus schön sein und gefallen, zugleich ist Musik Geschmackssache. Und über Geschmack kann man ja bekanntlich streiten. Muss man aber nicht.

Für mich ist diese Aufnahme ein Genuß und eine Bereicherung, nicht nur als Liebhaber der Barock-Oper. Ich halte es für sehr wahrscheinlich, daß Ihnen diese Einspielung ebenfalls gefallen wird. Und wem verdanken wir sie in erster Linie?
Biondi, Fabio Biondi.

Herzlichst,
Ihre Rosemarie Schmitt