Mit Martin Scorseses "Shine a Light" wurde die 58. Berlinale eröffnet. Der Starauflauf war groß, doch der Film, der sich weitgehend auf den Mitschnitt zweier Konzerte der Rolling Stones beschränkt, hält den Erwartungen kaum stand.
Mehr um die Berlin-Präsenz der an "Shine a Light" beteiligten Stars Martin Scorsese und den Rolling Stones als um den Film an sich dürfte es Berlinale-Direktor Dieter Kosslick mit dieser Eröffnung gegangen sein. Denn der Medienrummel war ihm damit sicher, auch wenn der Film kaum die große Offenbarung war.
Schwarzweißbilder mit rasantem Szenenwechsel am Beginn. Auf der einen Seite plant Mick Jagger eine Amerikatour der Stones, auf der anderen bereitet Martin Scorsese den Konzertfilm dazu vor, möchte die Abfolge der Lieder wissen und Scheinwerfer- und Kamerapositionen festlegen. – Kommunikationsprobleme werden sichtbar, doch schließlich ist alles fixiert.
Für Scorsese ist dieser Einstieg zweifellos wichtig, denn da er für die folgenden rund 110 Minuten den Raum ganz den Rolling Stones und ihrer Musik überlassen wird, möchte er wenigstens am Beginn seine Leistung als Filmemacher bei diesem Unternehmen herausstreichen. – Und auch das letzte Bild des Films hat er für sich reserviert, wenn er – und nicht einer der Stones – beim Gang der Band von der Bühne in die Garderobe nochmals direkt in die Kamera schauen darf.
Einen kurzen Auftritt gestattet Scorsese im Laufe dieses Einstiegs aber auch Bill Clinton und seiner Familie, die das Konzert im New Yorker Beacon Theatre besuchen. – Auch das mag eine kleine Szene sein, aber angesichts der gegenwärtigen Vorwahlen für die US-Präsidentschaft, wird man das dumme Gefühl nicht los, dass sich der Filmregisseur hier als Wahlhelfer für Hillary Clinton betätigen will.
Nach diesem durchaus unterhaltsamen Vorspiel steigt "Shine a Light" dann mit einer grandiosen, am Computer simulierten Kamerafahrt vom Himmel zum Eingang des Beacon Theatres ins Konzert der Rolling Stones aus. Mitreißende Kraft in bester scorsesescher Manier entwickelt der Film bei "Jumpin Jack Flash" durch die Dynamik und Nähe der Kamera und einen rasanten Schnitt. Nicht in der ersten Reihe meint man hier zu stehen, sondern fühlt sich direkt auf die Bühne versetzt und erlebt die Bewegungen und den Gesang von Mick Jagger sowie die Gitarrenriffs von Keith Richards hautnah mit. – Zu verdanken ist dieser Eindruck von Energie und Spannung der Arbeit von 20 von Robert Richardson kooridinierten und dirigierten Kameramännern
Ganz zugeschnitten auf Mick Jagger ist der Film, Keith Richards bekommt wenigstens ein Solo, Schlagzeuger Charlie Watts und Gitarrist Ronnie Woods ordnen sich ganz dem Bandleader unter, Christina Aguilera und die Blues-Legende Buddy Guy haben Gastauftritte. Der Fokus liegt ganz auf der Musik und dem Geschehen auf der Bühne; spärlich, aber auch unergiebig sind die Zwischenschnitte ins Publikum. – Der Film ist freilich nicht der Live-Mitschnitt eines Konzertes, sondern aus zwei Konzerten kompiliert.
Zwischen die Songs streut Scorsese einige wenige Ausschnitte aus TV-Sendungen, in denen sich Jagger über seine Karriere, eine Haftstrafe in den 60er Jahren oder den Flop der ersten US-Tournee äußert. – Weil dieses Archivmaterial allerdings nur sehr bruchstückhaft eingeschnitten wird, bleiben diese Szenen insgesamt dürftiges Beiwerk und vermitteln nahezu keine Informationen über die Geschichte der Band.
Besser wäre es wohl gewesen dieses Archivmaterial ganz wegzulassen. Denn so ist ein Zwitter entstanden, kein wirklich purer Konzertfilm wie Jonathan Demmes "Stop Making Sense" und schon gar kein vielschichtiger Dokumentarfilm, der Hintergründe beleuchtet, wie beispielsweise Julien Temples Film über den "Clash"-Frontman "Joe Strummer – The Future Is Unwritten" oder Joe Berlingers/Bruce Sinofskys "Metallica"-Porträt "Some Kind of Monster".
Somit bleibt letztlich vor allem die Dokumentation des Konzerts, die zumal bei einer Länge von 122 Minuten - Kürzungen könnten nicht schaden - in erster Linie wohl für Fans der Rolling Stones interessant ist.