Der Schweizer Filmpreis, der heuer letztmalig im Rahmen der Solothurner Filmtage vergeben wurde, geht in der Kategorie "Bester Spielfilm" an Micha Lewinskys Tragikomödie "Der Freund" und in der Kategorie "Bester Dokumentarfilm" an Stefan Schwieterts "Heimatklänge".
Seit 1998 gibt es den Schweizer Filmpreis und vergeben wurde er immer in Solothurn während der Filmtage. Dies soll sich 2009 ändern: Während der Filmtage sollen nur die Nominierungen bekannt gegeben werden, der prestigeträchtige Preis aber soll ein paar Wochen später vergeben werden. Wo diese Verleihung stattfinden soll ist noch ebenso unklar wie die Frage, wer die Preise vergibt.
Heuer ging die Veranstaltung jedenfalls noch in Solothurn, erstmals – und somit wohl auch letzmals - im CIS-Sportcenter über die Bühne. Das Votum für Micha Lewinskys "Der Freund" dürfte den Chef der Sektion Film beim Bundesamt für Kultur Nicolas Bideau gefreut haben. Denn ausgezeichnet wurde damit nicht ein sprödes Werk mit einer starken individuellen Filmsprache wie "Pas douce" von Jeanne Waltz, sondern ein gefälliger, gut aufgebauter und glänzend besetzter Film, der ernste Themen anschneidet und dennoch leicht konsumierbar bleibt: Im Mittelpunkt steht das schüchterne Muttersöhnchen Emil (Philippe Graber), der für die junge Sängerin Larissa schwärmt, sie aber nicht anzusprechen wagt. Als diese ihn überraschend bittet, sich vor ihrer Familie als ihr Freund auszugeben, ist er zwar verdutzt, stimmt aber zu. Als Emil jedoch wenige Tage später Larissa anrufen will, nimmt ihre Schwester Nora ab, die ihm mitteilen muss, dass Larissa bei einem Unfall ums Leben gekommen ist. Nolens volens wird Emil nun in die Begräbnisvorbereitungen hineingezogen und kommt dabei Nora näher.
Stilsicher, aber doch auch sehr brav inszeniert hält Lewinsky schön die Balance zwischen Tragik und Komik und wechselt mit spielerischer Leichtigkeit die Tonlage. Die Figuren wie Emils Muttter oder auch Emil selbst werden zwar aufs Korn genommen, doch die mitfühlende Sympathie des Regisseurs ist immer spürbar. Dieser warmherzige und sehr menschliche Blick, der durch die wunderbaren melancholischen Songs von Larissa-Darstellerin Emilie Welti alias Sophie Hunger noch verstärkt wird, macht "Der Freund" zu einem sehr unterhaltsamen Film, den man wohl mögen muss, der aber auch in seiner glatten Inszenierung und im Verzicht ernste Themen wirklich auszuloten nicht lange nachwirkt.
Mit dem als bestem Kurzfilm ausgezeichneten "Auf der Strecke" verbindet „Der Freund“ das Thema der Schüchternheit und der Unfähigkeit sich auszudrücken. In Reto Caffis mit 30 Minuten recht langem Kurzfilm steht ein Kaufhausdetektiv, der eine Angestellte zwar über Video beobachtet, sie aber nicht anzusprechen wagt, im Mittelpunkt. Als dieser Detektiv die Angebetete mit einem vermeintlichen Nebenbuhler sieht, lässt er diesen in einer Notsituation im Stich und leidet fortan an Schuldgefühlen. Der nichts ahnenden Angestellten kommt er zwar näher, aber zu einer Aussprache kommt es nicht. – Ohne viel Worte, dafür mit präziser Bildsprache und einem viel sagenden Spiel der Blicke inszeniert, überzeugend in kalte Blau- und Grautöne getaucht und blendend gespielt erzählt Caffi prägnant und wendungsreich eine Geschichte, die recht locker und fast komödiantisch beginnt, sich aber schließlich zu einem beklemmenden Drama entwickelt.
Dass Stefan Schwietert nach "Accordeon Tribe" für "Heimatklänge" zum zweiten Mal den Schweizer Filmpreis gewinnen würde, war kaum anzunehmen, auch wenn sein Film fraglos ein großes Seh- und Hörerlebnis ist. Wie Schwietert Möglichkeiten der Volksmusik die jenseits alles Volkstümelnden liegen erkundet und in den Porträts von Christian Zehnder, Noldi Alder und Erika Stucky zeigt, wie sie Jodeln mit Jazz und Obertongesang verbinden und damit auch ihre innersten Gefühle durch den Gesang ausdrücken, wird durch die Kollage von Tönen und Bildern unberührter Berglandschaften zu einem mitreißenden Erlebnis, das den Zuschauer die befreiende Kraft dieser Musik mehr als nur erahnen lässt.