Schwarze Flagge, weißes Segel: Der Piratenfilm

26. Juni 2017 Walter Gasperi
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Kanonengefechte und das Entern von Schiffen, ein charmanter Seeräuber und der Kampf um eine schöne Frau sind die Ingredienzien des Piratenfilms, in dem in den besten Fällen lustvoll und augenzwinkernd von Anarchie und Freiheitsdrang erzählt wird. - Weitgehend tot schien das Genre, doch Johnny Depp als Captain Jack Sparrow verhalf ihm mit der "Pirates of the Caribbean"-Serie zu einem kleinen Revival.

Die ersten Piratenfilme entstanden schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts, stilbildend wurde dann Douglas Fairbanks "The Black Pirate" (1926). Alle Ingredienzen dieses Subgenres des Abenteuerfilms sind darin schon enthalten, doch der Seeräuber ist hier noch ein spanischer Adeliger, der sich an den Mördern seines Vaters rächt.

Wie hier wird der Freibeuter auch in den klassischen Filmen der 1930er Jahren moralisch gerechtfertigt. Sowohl in "Captain Blood" (1935) als auch in "The Sea Hawk" (1940), die beide von Michael Curtiz inszeniert wurden, kämpft der vermeintliche, von Errol Flynn gespielte Gesetzlose im Grunde für seine Heimat England gegen die intriganten und hinterhältigen Spanier.

Festgelegt wurde mit diesen Filmen aber auch der Typus des Piraten. Im Kino ist er kein brutaler Mörder, kein Plünderer und Vergewaltiger, sondern ein mutiger und charmanter junger Mann, der sich in eine vornehme Dame verliebt und sich letztlich immer für die Schwachen einsetzt. Kein Wunder, dass Fairbanks und Flynn beinahe gleichzeitig auch Robin Hood verkörperten. Auch mit Johnny Depps Jack Sparrow ("Pirates of the Carribean") wurde diese Linie fortgesetzt, gleichzeitig aber auch gebrochen, denn Depps Pirat fehlt der Sinn fürs Patriotische und Uneigennützige.

Die Vorbilder dafür liegen im Piratenfilm der 1940er und 1950er Jahre, vor allem in Henry Kings "The Black Swan" (1943) und Robert Siodmaks "The Crimson Pirate" (1952). Abenteuerlicher, rücksichtsloser, aber auch sinnlicher sind die von Tyrone Power und Burt Lancaster gespielten Hauptfiguren dieser Filme. Und neben einem Überschuss an Action und Romantik leben diese Klassiker auch von ihrer Farbenpracht, vom Blau des Meeres und den bunten Kostümen der Piraten wie Burt Lancasters titelgebendem "rot" ("crimson"), den blassen Farben der Residenzen und der schummrigen Tavernen.

Wurde der Pirat in den Filmen der 1930er Jahre am Ende sozialisiert, so bleibt er nun ungebunden und frei, doch abgefedert wird dieser anarchistische Aspekt durch eine karnevalistische, sich selbst nicht ernst nehmende Inszenierung. Mit einem augenzwinkernd von Lancaster direkt in die Kamera gesprochenen "Believe what you see – no, believe, half of what you see!" beginnt "The Crimson Pirate".

Der Inhalt wird von der Inszenierung in den Hintergrund gedrängt, geboten wird eine temporeiche, selbstironische Achterbahnfahrt, die zwei Stunden blendend unterhält. Der Komödie und dem Musical nähert sich der Piratenfilm mit Siodmaks lustvollem Meisterwerk und beide Genres adaptierten auch Seeräubergeschichten.

Vincente Minnelli, der Meister der Farbdramaturgie, lässt Judy Garland im Musical "The Pirate" (1948) von einem berühmten Piraten träumen und das Komikerpaar Abbott und Costello traf in einer Groteske den von Charles Laughton zuvor schon im dramatischen "Captain Kidd" (1945) gespielten Seeräuber ("Abbott and Costello Meet Captain Kidd", 1952).

Der abgrundtief schurkische Kidd Charles Laughtons blieb freilich die Ausnahme, denn Filmpiraten verkörpern in der Regel all das, wovon der Zuschauer nur träumen kann: Alltag gibt es für diese außerhalb der Gesellschaft stehenden Helden nicht, sie tun und lassen, was sie wollen, erobern die Frau ihres Herzens und genießen ihre Freiheit. – In eine Traumwelt entführt dieses Subgenre den Zuschauer in seinen besten Werken und lässt ihn in der ironischen Brechung ständig das Illusionistische und Verspielte durchschauen.

Nur in diesem Spielerischen kann der Piratenfilm, der nach 1960 fast ausschließlich in europäischen B-Produktionen weiterlebte, reüssieren, denn das Meer hat in Zeiten der Weltraumfahrt seinen Abenteuercharakter verloren, Gegenwartsbezüge lassen sich kaum herstellen und die inhaltlichen Variationsmöglichkeiten des Subgenres sind gering.

Die Schauplätze sind mit Meer, Hafen und Festung ebenso begrenzt wie Handlungsmotive und Figuren. Die Rollen sind fix verteilt, spielbar fast nur von bestimmten Schauspielern und eine überraschende Umkehrung der Geschlechterverhältnisse mit einer Frau als Piratin ("Anne of the Indies"; Jacques Tourneur, 1951; "Cutthroat Island – Die Piratenbraut"; Renny Harlin, 1995) hat zwar ihren Reiz, zeigt aber gleichzeitig auch in der Beschränkung auf diese Variation die eng gesteckten Grenzen des Piratenfilms auf.

Trailer zu "The Crimson Pirate"