Schneemann

24. Oktober 2017 Walter Gasperi
Bildteil

Ein alkoholsüchtiger Polizist und seine junge Kollegin ermitteln in Oslo in einer Frauenmordserie. – Tomas Alfredsons Verfilmung eines 2007 erschienenen Bestsellers Jo Nesbøs evoziert eindringlich die winterlich kalte Atmosphäre, aber Handlungsentwicklung und Figurenzeichnung bewegen sich nicht über dem Niveau eines guten Fernsehkrimis.

Frostiger Winter herrscht von Anfang bis Ende in diesem Krimi, keine Vegetation zeigt sich, die Landschaft bleibt immer verschneit, bezeichnenderweise lässt der Frauenmörder auch an den Tatorten einen Schneemann als Visitenkarte zurück.

In der weiten Landschaft kann "Schneemann" mit bildmächtigen Totalen dann auch große visuelle Kraft entwickeln und eine frostige Atmosphäre evozieren, doch in den Stadtszenen und beim Blick auf die Handlung zeigt sich, dass Tomas Alfredson die ausgetretenen Pfade von Fernsehkrimis kaum verlässt, die Figurenzeichnung schematisch bleibt und keine Überraschungen bietet.

Stark und direkt beginnt diese Jo Nesbø-Verfilmung in einem Landhaus in verschneiter Einöde mit einer mit psychischer und physischer Gewalt aufgeladenen Familienszene, an deren Ende der jugendliche Sohn mitansehen muss, wie seine Mutter in einem See ertrinkt. Der Auslöser für eine grausame Mordserie an Frauen, die Jahre später Norwegen erschüttert, ist damit geschaffen.

So packend wie diese Exposition ist auch die sich anschließende Szene inszeniert, in der ein Unbekannter eine Frau auf ihrem Weg nach Hause verfolgt und sie schließlich mit einem Schneemann aus dem Haus lockt. Doch wenn Ermittler Harry Hole (Michael Fassbender) beim Erwachen in einem Unterstand im Stadtpark eine Wodka-Flasche aus der Hand fällt, bewegt sich "Schneemann" schon auf altbekannten Pfaden.

Keine neuen Facetten kann Michael Fassbender dem Klischee vom ausgebrannten Polizisten, der von seiner Frau getrennt lebt und dem Alkohol verfallen ist, hinzufügen. Ihm zur Seite stellen Alfredson, dem mit dem Vampirfilm "Let the Right One In – So finster die Nacht" (2008) und der John Le Carré-Adaption "Dame, König, As, Spion" (2011) zwei starke Filme gelangen, und Nesbø eine junge Kollegin (Rebecca Ferguson), bei der zunehmend klar wird, dass sie auch persönliche Motive bei den Ermittlungen antreiben.

Stereotyp wie die Figurenzeichnung bleiben aber auch Figurenarsenal und Handlungsentwicklung. In gewohnter Manier werden einerseits falsche Fährten aufgebaut, die sich dann im Nichts auflösen, andererseits führen die Ermittlungen auch zu weit zurückliegenden Taten, in die Rückblenden Einblick bieten. Dass die Mordopfer stets Mütter sind, die in schwierigen Beziehungen leben, lässt bald schon ahnen, dass Holes eigene Familie auch in den Fall hineingezogen wird. Vorhersehbar ist auch, dass die Lösung des Falls schließlich zum Ort der Exposition zurückführen wird.

In der Verkürzung des 500-seitigen Romans auf einen zweistündigen Film wirkt das alles aber sehr konstruiert und die Einzelteile fügen sich nicht zu einem zwingenden Ganzen. Die Rückblenden hängen ebenso in der Luft wie ein Subplot um die Bewerbung Oslos für die Olympischen Winterspiele. Das zentrale Thema der dysfunktionalen Familie wird nicht entscheidend weiter getrieben und ziemlich überraschend - und wenig glaubwürdig – ist schließlich auch, wer als Täter präsentiert wird.

Zahlreiche Stars werden zwar aufgeboten, doch zu wenig Raum bekommen Charlotte Gainsbourg oder Val Kilmer, um ihren Figuren Profil zu verleihen, mehr störend als zielführend ist auch eine überkandidelte Parallelmontage zwischen den geographisch getrennten Ermittlungen Holes und denen seiner Partnerin.

Spannende Unterhaltung bietet der zweistündige Krimi dank der wendungsreichen Handlungsführung, der starken Kameraarbeit von Oscar-Preisträger Dion Beebe und einem die Bedrohung großartig steigernden Soundtrack von Marco Beltrami zwar durchaus, aber über eine klassischen Whodunit und der damit verbundenen Tätersuche kommt "Schneemann" nicht hinaus.

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Trailer zu "Schneemann"