Samurai. Pracht des japanischen Rittertums

Über Jahrhunderte prägten die Samurai die Geschichte Japans – nicht nur als Krieger, sondern auch als politische Elite. Ihr Mythos erzählt von Tapferkeit und Disziplin, von Loyalität und nobler Selbstaufopferung – aber auch von Verrat, Intrigen und erbarmungsloser Gewalt. Ihre mit höchster Handwerkskunst aus edlen Metallen und kostbaren Stoffen hergestellten Rüstungen waren nicht nur wirkungsvolle Schutzpanzer, sondern auch imposante Statussymbole.

Das Ehepaar Ann und Gabriel Barbier-Mueller hat in knapp 30 Jahren eine hochkarätige Sammlung solcher Samurai-Rüstungen sowie Helme und Masken, Pferdeausrüstung und Waffen aus dem 13. bis 19. Jahrhundert zusammengetragen, die nun erstmals in Deutschland präsentiert wird. Anhand von mehr als 100 Exponaten lässt die Ausstellung die spannungsvolle Geschichte des japanischen Rittertums lebendig werden.

Was macht einen Mann zum Krieger? Der Samurai besaß Waffen, beherrschte Kampftechniken und lebte nach hohen ethischen Wertmaßstäben. Kennzeichnend für sein Erscheinungsbild war jedoch vor allem eins: seine Rüstung. Die Qualität einer Rüstung entschied über Leben und Tod – sie musste nicht nur Schutz bieten, sondern auch Bewegungsfreiheit und Identifizierbarkeit im Schlachtgetümmel. Bis heute veranschaulicht sie auf faszinierende Weise, mit welchen Mitteln sich der Samurai im Wechselspiel von Angriff und Verteidigung im Kampf behauptete: Meisterhaft verarbeitete Metalle, Leder, Holz, Lack und Stoffe gewährten materiellen Schutz.

Als Schutzsymbole und zur Abschreckung des Feindes dienten Verzierungen verschiedenster Formen und Motive, wie Dämonen, Drachen oder andere mythologische Wesen, gefährliche Tiere, buddhistische Schutzgötter und Sternenkonstellationen, siegverheißende Pflanzen oder Symbole, die für Glück, Mut und ein langes Leben stehen. Dass extravagante Rüstungen und Masken sowie Helme mit aufwendigem Schmuck jedoch auch gerade in Friedenszeiten verbreitet waren, zeugt von ihrer ebenso bedeutsamen repräsentativen Funktion: Rüstungen wurden in der weitgehend friedlichen Edo-Zeit (1603–1868) zunehmend zu Statussymbolen der Eliten.

Fast 700 Jahre lang prägten die Samurai die Geschichte Japans. Als Ende des 12. Jahrhunderts der Shogun als oberster militärischer Befehlshaber die Regierungsmacht vom japanischen Kaiser, dem tennō, übernahm, stieg der Kriegeradel anstelle des Hofadels zur politischen und sozialen Elite des Landes auf. In den folgenden Jahrhunderten kam es zu einer weiteren Schwächung der zentralen Staatsgewalt. Regionale Samurai-Fürsten (daimyō), die durch Landbesitz und militärische Macht an Einfluss gewonnen hatten und nun gegeneinander kämpften, beherrschten das in zahllose Territorien zerfallene Japan. Die Epoche der erbitterten Kämpfe dieser Territorialherrscher ist als »Zeit der streitenden Reiche« (Sengoku-Zeit, 1477–1573) in die japanische Geschichte eingegangen und prägt bis heute die Vorstellung des Samurai als martialischer Krieger, der in seinem Todesmut auch nicht vor dem rituellen Selbstmord (das im Westen als Harakiri geläufi geseppuku) zurückschreckt.

Die Sengoku-Zeit trieb die Weiterentwicklung militärischer Taktiken und die Verwendung neuer Waff en voran, zum Beispiel die 1543 von den Portugiesen eingeführten Gewehre. Damit wurde auch eine Anpassung der Rüstungen an die neuen Errungenschaften der Kriegsführung erforderlich. Es setzten sich neue Rüstungstypen durch, die nicht mehr ausschließlich als Schutzkleidung fungierten, sondern in Zeiten der Massenheere zunehmend auch die Persönlichkeit ihres Trägers zum Ausdruck bringen sollten. Diese Entwicklung spiegelt zugleich, wie die Verbreitung von Feuerwaffen im Kampf das Selbstverständnis der Samurai erschütterte: Individuelles Können und die Zugehörigkeit zur berittenen Elite verloren angesichts von Fernwaffen, die auch niederrangige Fußsoldaten bedienen konnten, an Bedeutung. Dies ist einer der Gründe, warum sich Feuerwaffen in Japan nicht im selben Maße durchsetzten wie in Europa. Die Samurai hielten lange an traditionellen Waffen wie Pfeil und Bogen, Lanze und Schwert fest.

Besonders das Schwert, das als Seele des Samurai gilt, hatte als sichtbares Zeichen der Ehre des Kriegers immensen Symbolwert. Nur den Samurai war es erlaubt, zwei Schwerter zu tragen. Kostbare Exemplare galten als Kunstwerke, deren Herstellung höchstes technisches Know-how erforderte. Unzählige Schichten Stahl wurden tagelang zur Schwertform geschmiedet, danach aufwendig gehärtet und geschliffen. Schwertschmiede gehörten stets dem Krieger- oder Hofadel an und waren nicht nur spezialisierte Handwerker, sondern führten zugleich rituelle und priesterliche Handlungen durch.

Zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurde Japan mit militärischer Gewalt geeint. Der neue Shogun verlegte seinen Regierungssitz nach Edo, das heutige Tokio, und mit der sogenannten Edo-Zeit brach eine über 250 Jahre währende Friedensepoche an, die mit der Abschottung Japans von der restlichen Welt einherging. Während im Kriegerstand zuvor Kämpfertugenden wie Tapferkeit, Disziplin und Loyalität im Fokus gestanden hatten, repräsentierten die Samurai in der Edo-Zeit vor allem das Ideal einer Einheit von ziviler Kultur und Kriegertugend: Sie übten sich weiterhin im Dienst an der Waffe, übernahmen aber auch neue Aufgaben in der Verwaltung, im Finanzwesen, im Strafvollzug und in der Zensur. Von zentraler Bedeutung war dabei der Ehrenkodex des bushi-dō (der Weg des Kriegers), der Elemente aus den Religionen des Shintōismus und Buddhismus sowie aus dem Konfuzianismus vereint: Er legitimierte die Existenz von Kriegern in Friedenszeiten, indem er die Samurai als moralische Erzieher und Garanten der öffentlichen Ordnung darstellte.

Ihre Rüstungen wurden immer mehr zu Repräsentationsobjekten, die beispielsweise auch als Ehrengeschenke für verdiente Gefolgsleute oder ausländische Regenten verwendet wurden. Sie vereinen Funktionalität und höchste Ästhetik und stellen Meisterwerke der Zusammenarbeit verschiedener Handwerkskünste dar. Kriegsgerät war von den Antiluxusgesetzen ausgenommen, die alle Samurai unterhalb der Fürsten (daimyō) zu einem einfachen Lebensstil verpflichteten. Rüstungen stellten also das einzige Statussymbol dar, das einen gewissen Prunk gestattete. Mit historisierenden Modellen im Stil früherer Epochen erinnerte man an die Zeit der Kriegerhelden und ermöglichte so eine Legitimation des Beamtenadels. Die Nachahmung alter Rüstungen, die extra mit einer Gebrauchspatina versehen wurden, konnte die Abstammung von einer bedeutenden Kriegerfamilie belegen oder vortäuschen. Bei neuen Rüstungstypen waren der Fantasie keine Grenzen gesetzt: Die spektakulären Entwürfe vor allem des Helmschmucks reichen von Berg- und Wellenformen über Pflanzen- und Tierelemente und mythologische Mischwesen bis hin zu buddhistischen Gottheiten. Mit exotisierenden Gestaltungselementen, die von europäischen, chinesischen oder koreanischen Rüstungen inspiriert waren, stellte der Besitzer seinen privilegierten Zugang zum stark eingeschränkten internationalen Handel zur Schau.

Eine aufwendige Lebensführung, wie sie sich in solchen kostbaren Statussymbolen widerspiegelt, stand jedoch im Widerspruch zur sich verschlechternden wirtschaftlichen Lage der Samurai. Das gesamte Gesellschaftssystem krankte zunehmend an dem immense Kosten produzierenden Kriegerstand. Ab 1868 wurde mit der Abschaffung des Shogunats und der Restitution der Macht an den Kaiser eine neue politische Ordnung begründet. Man löste den Stand der Samurai auf und führte eine allgemeine Wehrpflicht ein. In einem modernen, sich dem Westen öffnenden Japan war kein Platz mehr für archaische Krieger mit Rüstung und Schwert. Der Mythos der Samurai ist jedoch bis heute ungebrochen: Er prägte nicht nur das japanische Geschichtsverständnis, sondern hat auch die westliche Vorstellung japanischer Kultur maßgeblich bestimmt.


Katalog: Im Hirmer Verlag erscheint begleitend zur Ausstellung ein umfangreicher Katalog mit ca. 200 Farbabbildungen. Hrsg. v. J. Gabriel Barbier-Mueller. Mit Beiträgen von Morihiro Ogawa, John Stevenson, Sachiko Hori, Stephen Turnbull, John Anderson, Ian Bottomley, Thom Richardson, Gregory Irvine und Eric Meulien. Katalogtext von Bernard Fournier-Bourdier.

Samurai. Pracht des japanischen Rittertums
Die Sammlung Ann und Gabriel Barbier-Mueller
1. Februar bis 30. Juni 2019