Salon distingué – Hausrat in guter Gesellschaft

Das Museum Langmatt reflektiert als ehemalige Industriellenvilla des frühen 20. Jahrhunderts auch heute noch die Bedürfnisse, Wertvorstellungen und geschmacklichen Präferenzen einer bestimmten gesellschaftlichen Schicht, zu deren Selbstverständnis es gehörte, sich mit schönen, wertvollen Dingen und Kunst zu umgeben. Die Ausstellung "Salon distingué" befasst sich eingehend mit dem Hausrat in guter Gesellschaft und spricht damit die funktionale Vielschichtigkeit des Museums Langmatt an: als Bühne, als Ausstellung und als Zeitmaschine.

Vor die Herausforderung gestellt, in einem vollständig eingerichteten Wohnhaus mit reichem Inventar ein zeitgenössisches Kunstprojekt zu kuratieren, liegt es nah, den häuslichen Charakter der ehemals grossbürgerlichen Villa zum Vorwand zu nehmen, um dem Ensemble absichtsvoll weitere Dinge unterzumischen. In den als Ausstellungsräumen genutzten Schlafzimmern wie auch im repräsentativen Wohninterieur des Erdgeschosses wird der Besucher mit zeitgenössischen Skulpturen und Objekten konfrontiert, die sich – diskret oder ostentativ – ins bestehende Inventar einfügen.

Der gemeinsame Nenner dieser Kunstwerke besteht darin, von Gebrauchsgegenständen und Alltagsobjekten wie Tischen, Lampen, Geschirr oder auch Petflaschen-Deckeln auszugehen, um diese – durch die Kombination mit anderen Objekten, das Verunmöglichen ihres Gebrauchs oder das Überführen in eine andere Materialität – aus der Sphäre der funktionalen Gegenstände ins Reich der ausstellbaren Objekte zu transferieren. Haegue Yang interessiert sich für unseren gewöhnlichen Alltag, der in ihren Augen durchaus mystische Aspekte beinhaltet. Jalousien, Glühbirnen oder Material aus dem Baumarkt spielen in ihren Installationen eine zentrale Rolle, aber auch ihre kleineren Werke, wie die hier präsentierten, sind eine Art Hommage ans Banale. So hat sie beispielsweise eine Gruppe von Kassenrollen, "Roll Cosies" (2012), liebevoll in eine gestrickte Hülle gepackt, als ob das Archivband aller potentiell zu kaufenden Güter eines wärmenden Schutzes bedürfte.

In Diango Hernández’ Installation "Dining at Eight" (2009), bestehend aus vier Tischen, an denen "Figuren" aus gestapelten Lampenschirmen einander gegenüber platziert sind, wird der Hausrat als kulturell kodiertes Material eingesetzt, so dass er in der ungewöhnlichen Zusammenstellung der Einzelteile neue Geschichten erzählt. Ausgehend von der Herkunft der einzelnen Objekte, verweisen diese u.a. auf die Produktionsbedingungen der benutzten Güter und das daraus resultierende sozio-ökonomischen Machtgefälle. Monika Sosnowskas vor dem Haus installierte Betonskulptur "Dirty Fountain" (2006) könnte der Umgebung gesichtsloser sowjetischer Zweckbauten entsprungen sein: ein Trinkbrunnen, dessen Wasser durch die kleine Geste der Zugabe von schwarzem Pigment untrinkbar wird, wodurch sein Dienstleistungsangebot grundsätzlich in Frage gestellt ist.

Die Ausstellung legt den Fokus aber nicht auf den Hausrat allein, sondern spielt mit dem Begriff "Salon" auch auf die Aspekte der gesellschaftlichen Repräsentation und der Inszenierung an, welche integrale Bestandteile des bürgerlichen Lebensstils waren und sich in der Inneneinrichtung reflektieren. Meinte das Wort "Salon" in Analogie zu den Personen, die sich in den repräsentativen Empfangsräumen zu treffen pflegten, im Französischen auch "die gute Gesellschaft" ("la bonne companie"), so verweist Salon distingué hier ebenso auf die Pariser Salons des 18. und 19. Jahrhunderts – die Konversationssalons – wie auf die gleichnamige, jährlich in Paris stattfindende Gemälde- und Skulpturenausstellung, die lange Zeit die wichtigste Kunstausstellung überhaupt war.

Das ehemalige Wohnhaus der wohlhabenden Browns war die Verwirklichung eines persönlichen Traumes, mehr noch, es war die materielle Verkörperung der perfekt komponierten Hülle, die veranschaulichte, wie man sich nach aussen hin repräsentiert sehen wollte: als distinguiertes – sprich vornehmes, kultiviertes – Mitglied der guten Gesellschaft. Herzstück dieser Mise en scène war die private Gemäldegalerie, die kurz nach Fertigstellung des Hauses für die wachsende Gemäldesammlung angebaut, aber auch für elegante Empfänge genutzt wurde. Die Langmatt war also schon zu den belebten Zeiten ihrer Hochblüte eine Bühne für die Inszenierung des perfekten grossbürgerlichen Lebensstils und – eine Ausstellung avant la lettre. Heute zeigt die inzwischen institutionalisierte Langmatt eine museale Reinszenierung der damaligen Selbstinszenierung als Dauerausstellung und ist so zu einer Materialisierung der Familiengeschichte geworden.

In dieser Hinsicht ist Salon distingué eine Ausstellung in der – bereits zweifach gespiegelten – "Ausstellung" und thematisiert die Inszenierung von Objekten mit den implizit darin enthaltenen möglichen Szenarien.

KünstlerInnen: Gerard Byrne, Natalie Czech, Elmgreen & Dragset, Diango Hernández, Markus Müller, Markus Schinwald, Kathrin Sonntag, Monika Sosnowska, Nele Stecher, Erik Steinbrecher, Lena Maria Thüring, Erika Verzutti, Haegue Yang


Salon distingué – Hausrat in guter Gesellschaft
4. Mai bis 30. November 2014