Russlands Seele

Im Jahr 1856 erwarb der Moskauer Kaufmann Pawel Tretjakow (1832–1898) seine ersten Gemälde zeitgenössischer russischer Künstler. Damit legte er den Grundstein für seine berühmte Bildergalerie, die 2006 ihren 150 Geburtstag feierte. Heute gilt sie als die weltweit bedeutendste Sammlung russischer Kunst.

Aus diesem überaus reichen Bestand wurden für eine Ausstellung in Kunsthalle Bonn 170 herausragende Gemälde, Ikonen und Zeichnungen ausgewählt, die die Entwicklung einer national geprägten russischen Kunst im Spannungsfeld zwischen der gesamteuropäischen und der eigenen kulturellen Tradition nachzeichnen. Der Bilderbogen spannt sich von der höfischen Kultur des späten 18. Jahrhundert bis zur Avantgardebewegung vor 1917.

Den Schwerpunkt der Betrachtungen bildet die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. In dieser bewegten Zeit wurde ganz Moskau von einem beispiellosen Bilderfieber erfasst. Der einflussreiche Sammler und Kunstmäzen Tretjakow schätzte vor allem die junge Generation der realistischen Maler wie Ilja Repin, Iwan Kramskoi, Wassili Polenow, Nikolai Ghe u.a., deren sozialkritische Szenen aus dem Leben der russischen Gesellschaft, lyrische Landschaftsdarstellungen und psychologisch eindringliche Porträts das »wahre Russland« repräsentieren sollten.

Diese umfassende Werkgruppe wird von selten gezeigten Gemälden des 18. und frühen 19. Jahrhunderts eingeleitet. Eine Auswahl kostbarer Ikonen bringt dem Betrachter die spirituellen Quellen der russischen Ästhetik nahe. Die Umbruchsituation der Jahrhundertwende offenbart sich in der Vielfalt künstlerischer Positionen, beginnend mit dem Symbolismus von Michail Wrubel und Wiktor Borissow-Mussatow.

Die Ausstellung schließt mit Bildern, welche am Vorabend der Oktoberrevolution 1917 entstanden. Die darauf folgenden Entwicklungen sollten ein neues Kapitel der russischen Kulturgeschichte aufschlagen.


Russlands Seele
Ikonen, Gemälde und Zeichnungen aus der Tretjakow-Galerie, Moskau
16. Mai bis 26. August 2007