Rot ist schön

Am 26. Januar ist Rupprecht Geiger 100 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass finden bundesweit zahlreiche Ausstellungen statt, die sein über sechs Schaffensjahrzehnte ausgedehntes Werk würdigen. Das Museum für Gegenwartskunst Siegen reiht sich als zweite Station nach der Städtischen Galerie im Lenbachhaus München mit einer großen Rupprecht Geiger-Retrospektive ein.

Unter dem Titel "Rot ist schön" sind vom 1. Juni bis zum 28. September 2008 rund 140 Arbeiten aus den Bereichen Malerei, Druckgraphik, Collage und Architekturmodelle zu sehen. Die Präsentation von Geigers Werk hat in Siegen Tradition. 1992 erhielt der Künstler den 8. Rubenspreis der Stadt, seit 2001 ist er mit einer Werkgruppe von zehn Arbeiten in der im Museum für Gegenwartskunst Siegen beheimateten Privatsammlung Lambrecht-Schadeberg vertreten.

Rupprecht Geigers Arbeit zielt seit mehr als sechzig Jahren darauf ab, das Wechselspiel von Farbmaterie, Farbform und Farblicht auszuloten. Sein Hauptinteresse gilt der Wirkung von Farbe. Grenzen zwischen Bildkörper und Raum, zwischen Subjekt und Objekt, zwischen den einzelnen menschlichen Sinnesempfindungen werden in Frage gestellt. Der viel zitierte Leitsatz seines Schaffens lautet: "Es geht mir um die Farbe, nur um die Farbe und deren Erkennbarkeit. Alleiniges Thema meiner Malerei ist die Farbe, sie selbst ist das Motiv." Sein Hauptanliegen ist, "die Objektivität der Farbe wahrnehmbar zu machen". Rupprecht Geiger (geb. am 26. Januar 1908) ist bis heute aktiv tätig. Er lebt und arbeitet in München.

Die Ausstellung "Rot ist schön" beleuchtet das beeindruckende Lebenswerk Rupprecht Geigers in all seinen Facetten: Die materialreiche, chronologische Ausstellung nimmt die gesamte zweite Etage des Museums ein. Sie beginnt mit einer kleinen, exemplarischen Auswahl an frühen malerischen und druckgrafischen Arbeiten aus den vierziger und fünfziger Jahren, mit denen sich Geiger von der traditionellen, rechteckig geformten Bildgrenze löst und mit "irregulären" Bildträgern zu experimentieren beginnt. Die Beziehung der Farbflächen untereinander, die einzelnen Farbmodulationen ist stark vereinfacht. Ab 1957 führt Geiger geometrische Formen wie Quadrat, Rechteck, Kreis und gestauchter Kreis als Bildelemente ein, sie schweben als leicht modulierte Farbfläche auf nahezu monochromem Grund.

Zu Anfang der sechziger Jahre beginnt Geiger mit fluoreszierender Acrylfarbe zu arbeiten, der Pinsel wird durch die Spritzpistole ersetzt. Der Künstler greift bewusst auf Tagesleuchtfarben zurück, die er als "abstrakte" Farbe begreift, weil sie in der Natur nicht vorkommen. Die chemische Beschaffenheit der Farbe als auch der Effekt des gesprühten, wie puderig aufgestäubten Farbauftrags verstärken den Eindruck des Immateriellen. Seither untersucht Geiger die Wirkkräfte der "Farbe als Element".

"Rot" wird zur bevorzugten Farbe des Künstlers. "Rot ist schön. Rot ist Leben, Energie, Potenz, Macht, Liebe, Wärme, Kraft. Rot macht high" lautet Geigers oft wiederholtes künstlerisches Statement, dem er bis heute treu geblieben ist. Dabei ist für ihn die Rotskala sehr weit ausgedehnt, das gesamte Spektrum an kalten und warmen Rottönen zählt dazu: "Ja, alle Farben, die rötlich sind, oder zum rötlichen hin tendieren, nenne ich eigentlich Rot! Eigentlich bezeichne ich die ganze Skala der roten Farbe vom hellsten Gelb bis ins tiefste Violett so."

Als konsequente Weiterentwicklung von Geigers Strebens nach Entmaterialisierung aller übrigen Bildelemente entstehen seit den 60er Jahren zugleich überdimensionierte Farbobjekte, monumentale Wandgestaltungen als auch begehbare Farbräume, die das Farberleben allumfassend machen. 1975 wird der erste Farbraum "Unisono Rot" realisiert, 1991 vier Modelle für einen Meditationsraum in Taufkirchen. In der Siegener Ausstellung sind insgesamt neun exemplarische Architekturmodelle zu sehen, die nicht nur als Projektskizzen angelegt sind, sondern zugleich autonome Objekte darstellen. Die Modelle spiegeln zudem die Prägung von Geigers künstlerischem Werk durch seinen vormaligen Beruf als Architekt. Vierunddreißig materialreiche, verspielte Collagen aus den letzten Jahren vervollständigen das Bild der Werkschau.


Katalog: Texte zu Rupprecht Geiger, Hrsg. Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München, Helmut Friedel. Diese Publikation erschien anlässlich der Ausstellung "Rupprecht Geiger. Malerei, Serigrafien, Modelle und Collagen aus sieben Jahrzehnten." Die Ausstellung zum 100. Geburtstag des Künstlers" vom 15. Dezember 07 bis 30. März 08 im Lenbachhaus München und vom 01. Juni bis 28. September 08 im Museum für Gegenwartskunst Siegen; 103 Seiten, gebunden; Preis: 22,- EUR; ISBN 978-3-88645-168-5

Rot ist schön
1. Juni bis 28. September 08