Revolutionsbiologie

3. September 2005 Bernhard Sandbichler
26.09.2018 bis  26.09.2018
Bildteil

Charles Darwin, der Vater der Evolution, reagiert in einem Gespräch mit seiner Affenhausener Gastwirtin endlich auf Kardinal Christoph Schönborns Gastkommentar in der »New York Times«. Darwin, der seinen Sommerurlaub aus nostalgischen Gründen (*1809) seit Jahrzehnten in der ursprünglichen Tiroler Gemeinde Affenhausen verbringt, hat sich zum Ende des heurigen Aufenthaltes seiner Gastwirtin anvertraut. Er reagierte im Gespräch erstmals auf den Anfang Juli über das US Discovery Institute in der »New York Times« publizierten Artikel zur Evolutionsbiologie des Wiener Erzbischofs.

Er stimme dem hohen kirchlichen Würdenträger grundsätzlich zu, meinte er, müsse aber gleichzeitig seine eigene Forschung revidieren. Die Vorzeichen seien völlig andere als angenommen. Die Entwicklung der Arten nämlich sei eine vom höheren zum niedereren Wesen. Der Mensch stamme mithin nicht vom Affen ab, sondern entwickle sich zu ihm – bildlich gesprochen. Dem Schöpfer, darin wäre man sich allgemein einig, sei der perfekte Mensch gelungen, noch dazu in der unglaublich kurzen Zeit von zwei aufeinander folgenden Tagen (Freitag und Samstag). Seit Adam und Eva sei aber eine beständige Entwicklung zu beobachten gewesen, eine Rück-Entwicklung, wie Darwin betonte, eine »Re-volution« und nicht, wie er in seinem Standardwerk »The Origin of Species« aus 1859 (!) noch meinte, eine »E-volution«.

Interessant wäre es nun, 2005, zu erforschen, wann sich der Mensch mit dem Affen zu welchem Unterwesen zurückentwickelt haben würde. Er selber sehe sich dazu außerstande. Und die Anderen? Die anderen Menschen seien wohl der zur Forschung notwendigen Denkkapazität bereits verlustig gegangen, Stichwort: De-Generation. Außerdem sei es nachgerade unmöglich, solche Gedanken öffentlich auch nur zu denken. Gedanken dieser Art und ihre Denker würden, so Darwin, »auf Druck der Gesellschaft ausgesiebt, quasi «selektioniert».« Geduldet würden sie allenfalls auf künstlerischem Gebiet, etwa bei einem Hörspiel aus der Schule des Lebens von Franz Schuh, das er unlängst im Österreichischen Rundfunk gehört habe und das den Titel »Mitte letzter Woche entwickelten sich menschenähnliche Affen zu affenähnlichen Menschen« trug.

Erstaunlich, was ein weißbärtiger, älterer Sommergast so alles denkt, wenn er das Radio aufdreht!

Oder irre ich (bzw. die den Sachverhalt mit ausladenden Gesten darlegende Gastwirtin in Affenhausen)? Und wenn schon! »Errare humanum est«, sagt Vater Hieronymus (Epistulae 27,12), und wir sind schließlich (noch) alle bloß Menschen.

Quelle: Gastwirtin in Affenhausen