Revolutionen des Alltäglichen

Die Ausstellung "Revolutionen des Alltäglichen" zeigt acht zeitgenössische lateinamerikanische Künstlerinnen und Künstler, deren Arbeiten in Deutschland bisher nicht oder nur vereinzelt zu sehen waren. Die Gruppenausstellung setzt auf eine begrenzte Künstlerauswahl, da so das Œuvre der einzelnen Künstler mit mehreren Arbeiten vertiefend vorgestellt werden kann.

Pralinenschachteln, Plastikbecher, Wischmopps, Erste-Hilfe-Folien, Ventilatoren etc. bilden das Ausgangsmaterial der Werke – Objekte der alltäglichen Lebenswelt, mit deren "gewöhnlicher" Herkunft die Künstler bewusst spielen und dadurch an den Readymade-Gedanken von Marcel Duchamp erinnern. Der "Link" zum Alltäglichen, zur Welt wird in unterschiedlichen Medien, in Skulptur, Video, Installation, Fotografie oder Collage immer wieder aufgerufen. Dass damit auch ein konzeptueller Ansatz verfolgt wird, zeigt sich in der Komplexität der kulturellen Verweise, die sich aus dem jeweiligen künstlerischen Eingriff ergeben. Als Referenzsystem gilt hier wiederholt die Geschichte der Kunst – besonders die Geschichte der Moderne, deren Formensprache und Ideologien aufgegriffen, dann aber im und durch das Werk aufgebrochen und hinterfragt werden. Aber auch aktuelle gesellschaftliche und politische Thematiken sowie die Bereiche des Privaten und Intimen werden in den Arbeiten diskutiert.

Neben der Verwendung von "banalen" Alltagsobjekten spielt das Prekäre, die Kunst der Improvisation, das ad hoc entwickelte Arrangement – nicht zuletzt auch in der Art und Weise der Präsentation der Arbeiten – eine wesentliche Rolle. Die scheinbar beiläufig gefundenen, künstlerischen Lösungsideen bieten dem Betrachter ein enormes revolutionäres Wahrnehmungspotenzial an, da sie vorgegebene, tradierte Ordnungssysteme bewusst kritisieren. Indem sie den Prozess der Auseinandersetzung und des Denkens in der Schwebe halten, eröffnen sie einen verlockenden intellektuellen Spielraum: Im Alltäglichen, das für gewöhnlich unhinterfragt bleibt, durch den künstlerischen Eingriff aber eine enorme Verwandlung erfährt, liegt für den Betrachter nicht nur die Gefahr der Irritation und Verunsicherung verborgen – wenn er bekannt Geglaubtes neu erfährt. Indem die Arbeiten durch ihre große poetische Qualität den Rezipienten regelrecht zum Sehen verführen, vermag dieser seinem Alltag auch ungewohnte Blicke und neue Perspektiven abzugewinnen.

"Revolutionen des Alltäglichen. Zeitgenössische lateinamerikanische Kunst" präsentiert etwa 50 Werke von acht lateinamerikanischen Künstlerinnen und Künstlern, die wesentlich den aktuellen zeitgenössischen Kunstdiskurs mitgestalten. Der Bedeutungsreichtum und die Vielbezüglichkeit ihrer Arbeiten lässt die Ausstellung zu einem spannenden Gang durch eine komplexe kulturelle Enzyklopädie werden, die nicht nur Lokales mit Globalem verbindet, sondern auch strenge Konzeptualität mit großer poetischer Leichtigkeit zusammenführt.

Mit Arbeiten von Alexandre da Cunha (BR), Diango Hernández (CU), Gabriel Kuri (MX), Glenda León (CU), Jorge Macchi (AR), Wilfredo Prieto (CU), Valeska Soares (BR) und Martin Soto Climent (MX)


Zur Ausstellung erscheint ein 120-seitiger Katalog im Verlag für moderne Kunst Nürnberg mit ca. 90 Farbabbildungen und Texten von Michel Blancsubé und Stefanie Kreuzer sowie einem Vorwort von Markus Heinzelmann. Preis: 18 Euro an der Museumskasse während der Laufzeit der Ausstellung; 20 Euro im Buchhandel.

Revolutionen des Alltäglichen
Zeitgenössische lateinamerikanische Kunst
23. August bis 1. November 2009