Das Berliner Kupferstichkabinett besitzt eine der bedeutendsten Sammlungen französischer Zeichnungen außerhalb Frankreichs. Erstmals lädt das Museum nun zum Rendezvous mit seinen "schönsten Franzosen" und zeigt die wichtigsten und hinreißendsten Blätter, die sich vor dem Auge des Betrachters auffächern zu einem reichen Panorama französischer Zeichenkunst vom 16. bis zum 18. Jahrhundert, von der Renaissance bis zur französischen Revolution.
In spannungsreichen Gruppen vorgestellt, lädt die Ausstellung dazu ein, in Porträts und Studienblättern, in Landschaften und Geschichten eine zeichnerische Vielfalt der unterschiedlichsten Techniken und Stile, Bilderfindungen und Kompositionen der französischen Zeichenkunst zu entdecken. So stehen beispielsweise Jean-Antoine Watteaus in trois crayons, also mit drei Kreiden in rot, schwarz und weiß ausgeführte Studien galanter Damen und Herren neben den üppigen Akten François Bouchers. Die Vergangenheit eines goldenen arkadischen Zeitalters bleibt in Claude Lorrains Landschaftszeichnungen lebendig, während eine im Revolutionsjahr 1789 von Louis Nicolas de Lespinasse gezeichnete Ansicht der neuen Pariser Getreidehalle aus dem Geist der Aufklärung geboren ist.
Werkgruppen der wichtigsten französischen Künstler, vor allem des 17. und 18. Jahrhunderts, die unsere Vorstellung von der Kunst Frankreichs prägen, werden ergänzt durch einzelne, noch nie in einer Ausstellung gezeigte Blätter von herausragender Qualität. Besonderes Augenmerk bei der Auswahl der Werke liegt auf der gesamteuropäischen Dimension der französischen Zeichenkunst. So wird deutlich, dass französische Künstler ihre Motive und ihre Inspiration in ganz Europa suchten und fanden, auch in so weit von Paris und Versailles entfernten Randgebieten des Kontinents wie dem Osmanischen Reich oder in entlegenen Landstrichen Russlands.
Als Maler, Bildhauer und Architekten, aber vor allem als Zeichner waren Franzosen auch über die Grenzen ihres Heimatlandes hinaus erfolgreich. Dabei bilden die Städte Rom und Berlin besondere geographische Schwerpunkte. Während ein Aufenthalt an der französischen Akademie in der ewigen Stadt für viele Künstlergenerationen als wichtige Etappe zur Karriere gehörte, ist eine Tätigkeit in Preußen für französische Künstler eher außergewöhnlich. In dieser Hinsicht hält ein Rundgang in der Ausstellung für den Besucher manche Überraschung bereit.
Elegante Paare finden sich zu einer fête galante zusammen, die nicht auf Kythera, sondern unverkennbar in märkischer Landschaft stattfindet; die dörfliche Ansiedlung mit einer Kirche, die auf einem anderen Blatt skizziert ist, zeigt eine Ansicht von Bad Freienwalde. Beide Blätter stammen vom gebürtigen Pariser Antoine Pesne, der seit 1711 als Hofkünstler in Preußen arbeitete. Das verwirrende Capriccio mit einer monumentalen Suppenterrine hat der französische Architekt und Graphiker Jean Laurent Legeay 1748 in Berlin gezeichnet, wo er ein Jahr zuvor für die feierliche Grundsteinlegung der Hedwigskirche, der heutigen St. Hedwigs-Kathedrale, eine ähnlich fantasievolle Festdekoration entworfen hatte.
Bei der Ausstellung steht – wie die im Titel ausgesprochene Einladung zum "Rendezvous" bereits erahnen lässt – die ganz persönliche Begegnung im intimen Rahmen im Mittelpunkt. So sehen sich die Besucherinnen und Besucher Aug‘ in Aug‘ Pierre-Maurice Haranger, einem der engsten Freunde des großen Zeichners Watteau, Josephine, einem Kindermädchen der Familie des Grafikers Jean-Jacques de Boissieu, dem Knaben Henri und späteren König Heinrich III. in einem Bildnis von François Clouet, sowie dem Kunstsammler und Museumsmann Dominique Vivant Denon im karikaturesken Selbstbildnis als alter Mann gegenüber.
Dabei ist es nicht nur eine Begegnung mit den hier porträtierten Menschen und ihren Geschichten. Es ist vor allem auch ein Rendezvous mit der Kunst im Augenblick ihres Entstehens und damit eine Begegnung mit dem Künstler selbst, welche die Zeichenkunst, wie kein anderes Medium und über Jahrhunderte hinweg auf ganz einzigartige Weise ermöglicht.
Rendezvous. Die französischen Meisterzeichnungen des Kupferstichkabinetts
7. Dezember2018 bis 3. März 2019