Raymond Pettibon. Homo Americanus

Auf vier Stockwerken der Sammlung Falckenberg zeigen die Deichtorhallen Hamburg vom 28. Februar bis 11. September 2016 die größte jemals präsentierte Ausstellung des Werkes des amerikanischen Künstlers Raymond Pettibon (geb. 1957). Zu sehen sind mehr als 700 Zeichnungen, dazu hunderte von Flyern, Plattenhüllen und Fanzines sowie Filme, Malereien und Wandzeichnungen.

Die von Ulrich Loock für die Deichtorhallen kuratierte Ausstellung zeigt Raymond Pettibon als Mythologen, der die prägenden Narrative der amerikanischen Kultur von Woodstock über die Präsidentschaften bis zum Krieg gegen den Terrorismus aufgreift und unterläuft. Sein Mittel sind Zeichnungen, in denen er Bild und Text uneinheitlich miteinander verbindet. Seit Ende der 1970er Jahre dürfte er etwa 20.000 Werke geschaffen haben. Darüber hinaus sind Filme, Malereien, Künstlerbücher sowie Flyer und Plattenhüllen für Punkrockbands und Zines entstanden.

In den 1980er Jahren sind Pettibons Themen der Verfall der Hippie-Kultur, Mord und Selbstmord in der Drogenszene sowie die Repression der etablierten Gesellschaft. Hinzu kommt die Auseinandersetzung mit Familien-, Rassen- und Geschlechterbeziehungen, Religiosität und dem Krieg in Vietnam. In den frühen Zeichnungen arbeitet er mit bitteren, präzise gesetzten Pointen. Später tritt die literarische Dimension des Werkes mit Bezügen zur Dichtung des 19. Jahrhunderts in den Vordergrund, bis das Werk schließlich einen neuen Höhepunkt in großformatigen farbigen Zeichnungen findet, in denen er, desillusioniert und wütend, scharfe Kritik an der Politik von George W. Bush und dem amerikanischen Krieg im Irak übt.

Nie zuvor war es möglich, einen derart umfassenden Zugang zum Werk von Raymond Pettibon zu gewinnen wie in der jetzigen Ausstellung in der Sammlung Falckenberg der Deichtorhallen Hamburg. Erstmalig unternimmt es eine Ausstellung, Pettibons schier unendliches Werk nach verschiedenen Prinzipien zu strukturieren. Eine Ordnung ist chronologisch, eine andere konzentriert sich auf Motive wie Surfer, Baseball und Eisenbahnzüge, die Bibel, das Herz und den Phallus.

Raymond Pettibon wurde 1957 geboren und zog im Alter von fünf Jahren mit seiner Familie nach Hermosa Beach, einem Vorort von Los Angeles. Während seines Wirtschaftsstudiums an UCLA zeichnete er politische Karikaturen, 1978 publizierte er den umfangreichen Comic Strip Captive Chains, aus dem mehrere Zeichnungen für Flyer und Plattenhüllen verwendet wurden. Bald sagte sich Pettibon von der Musikwelt los; es folgte 1986 seine erste Ausstellung in der Semaphore Gallery in New York. Anschließend wurden Pettibons Arbeiten bei vielen Ausstellungen in Galerien und Institutionen in den USA und Europa gezeitgt, im Jahr 2002 beteiligte er sich an der documenta 11 und 2007 an der Biennale Venedig. Auch erhielt er mehrere Kunstpreise in verschiedenen Ländern. Raymond Pettibon lebt in New York.


Katalog: Begleitend zur Ausstellung erscheint Ende 2015 eine reich bebilderte Publikation mit einem Vorwort von Sabine Breitwieser und Dirk Luckow, einer Einführung von den beiden Herausgebern des Kataloges Ulrich Loock und Harald Falckenberg sowie zahlreichen Auszügen aus Interviews mit Raymond Pettibon in einer Art A–Z seiner Themen und Motive. Der Katalog erscheint bei David Zwirner Books. Gebunden, 692 Seiten mit 600 farbigen Abbildungen. Preis: 48 Euro.

Raymond Pettibon. Homo Americanus
28. Februar bis 11. September 2016