Radikale Gesten

Mit dem Projekt "Radikale Gesten. Performances und Demontagen" präsentiert das Flatz Museum Dornbirn die erste Ergänzung zum laufenden Ausstellungsbetrieb. Eine konzentrierte Werkpräsentation von performativen Arbeiten des Künstlers Flatz, Liveperformances von Chantal Michel (CH), Renée Stieger (A) sowie Julia Kläring (A) und Andrea Salzmann (A) und ein kunsttheoretischer Schwerpunkt zum Thema "Performancestrategien von den 1970er Jahren bis zur Gegenwart" sollen den Handlungsspielraum historischer und aktueller Performancekunst aufzeigen.

"Radikale Gesten. Performances und Demontagen" greift einen zentralen Aspekt im Werk von Flatz heraus: die performative Geste. Körper und Masse, Individuum und Gesellschaft sind Gegensatzpaare, die Flatz seit den 1970er Jahren in dichte Beziehungen drängt. Im Kontext öffentlicher Inszenierungen formt Flatz die Geste als zeichenhafte Bewegung mit starker Bildhaftigkeit und deren kulturelle Codierung als Strategie für radikale Selbst- und Fremderkundungen aus. 1987 beginnt Flatz mit seinen Demontagen, fünf davon entstehen bereits im ersten Jahr und sind wesentlich von topographisch-symbolischen Bezügen und einem hohen Grad an theatraler Inszenierung geprägt. Die Ausstellung "Radikale Gesten" versammelt konzentriert Positionen aus den performativen Arbeiten von Flatz in denen das Publikum selbst zum Teil dieser Strategie wird – sei es als Teil der performativen Handlung, als Akteur, Voyeur oder in Form einer medialen und medienreflexiven Übersetzung. Zu den radikalsten und bekanntesten Arbeiten von Flatz gehört "Treffer" (1979). Im Rahmen des Settings zur Performance lässt Flatz am Eingang zum Performanceraum Karten mit aufgeklebten Wurfpfeilen und der Aufschrift "Sie erhalten DM 500,- in bar, wenn Sie das Ziel treffen" verteilen. Als Ziel inszeniert sich der Künstler selbst. Der elfte Werfer trifft latz und erhält den ausgeschriebenen Betrag. Seine Arbeit "Alte Synagoge" (1990/91) in Tiflis/Georgien wird in der Ausstellung als Film präsentiert. Im Raum der alten Synagoge hängen zwei Stahlplatten. Der Künstler ist an beiden Händen gefesselt, hängt kopfüber zwischen den Stahlplatten und wird von einer weiteren Person zwischen den Stahlplatten hin und her bewegt. Nach fünf Minuten beginnt ein Paar den Kaiserwalzer von Strauss zu tanzen, während der Künstler bewusstlos zwischen den Stahlplatten hängt. Zu den jüngsten Werken von Flatz zählt die medial heftig diskutierte Performance "Schuldig, nicht schuldig" (2010). Wiederum kreist Flatz darin um die Themen von Individuum und Gesellschaft, von Masse und Macht. In den vier Ecken des Raumes hängen Stahlplatten. Während das Publikum seinen Platz in der Mitte des Raumes einnimmt, geht Flatz einem schmalen, durch Klebeband am Boden markierten, Streifen entlang der Wand von einer zur nächsten Stahlplatte und schmettert dabei mit den abwechselnden Parolen "Schuldig" oder "Nicht schuldig" seinen Kopf gegen die Stahlplatten. Bei all diesen Aktionen, bei denen sich der Künstler auch selbst verletzt bzw. verletzt wird, stehen Reaktion und Rezeption im Vordergrund. Das Fallen von Hemmschwellen, die Dynamik im Publikum, das im Fall der Liveperformance plötzlich zu einer Gruppe wird, Homogenitäten und Inhomogenitäten, Wertesysteme, die plötzlich sichtbar, mitunter auch fühlbar werden, gehören, wenn auch nicht steuerbar, zum intendierten Verlauf. Neben der konzentrierten Werkpräsentation ausgewählter Performancearbeiten durch Film- und Fotomaterial sowie Relikte, besteht das Projekt "Radikale Gesten" aus einer Reihe aktueller und im Flatz Museum live erlebbarer Performances, die von den Künstlerinnen Chantal Michel (CH), Renée Stieger (A) sowie Julia Kläring und Andrea Salzmann (A) an drei Abenden gestaltet werden und einer kunsttheoretischen Diskussion über Performancestrategien von den 1970er Jahren bis zur Gegenwart mit namhaften KunsthistorikerInnen, TheoretikerInnen und Flatz im Januar 2011. Sowohl die Liveperformances als auch die Diskussion im Januar sollen interessierten BesucherInnen die Möglichkeit bieten, die performativen Arbeiten von Flatz in Bezug zu einer andauernden und internationalen Entwicklung in der Performancekunst zu sehen und möchten das Flatz Museum für aktuelle Positionen von Performanceskünstlerinnen öffnen.
Radikale Gesten. Performances und Demontagen 1. Oktober 2010 bis 31. März 2011