"Prokne & Co" von Isabella Breier

12. Juli 2013 admin
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Der Klappentext: Priska und Philina, relativ privilegierte Zeitgenossinnen und beste Freundinnen, haben - seit dieser Streiterei vor einem Jahr - keinerlei Kontakt mehr. Was sie nicht wissen: Dem intriganten Treiben Timos wegen. Durch einen Zufall kommt Priska ihrem Mann hinter die Schliche, kann‘s nicht glauben: Timo hatte in beachtlicher Umsicht dafür Sorge getragen, dass keine versöhnliche Nachricht der beiden Frauen die je andere erreichte.

Ausser sich vor Zorn fasst Priska - nach dem plötzlichen Herztod des Hundes - einen irren Racheplan, setzt ihn um. Tags darauf fährt sie Timo zum Symposium im Seminarhotel, macht Andeutungen, reist nach Neapel, später nach Rom, um Philina zu finden. Die hat mit dem Tod des geliebten Vaters jede Lust auf Effizienz, Karriere, Leistung verloren und nun, nach Monaten der Untätigkeit, ihren Job. Jetzt möchte sie in aller Ruhe nachdenken: hier in Rom, der Lieblingsstadt ihres Papas, eines ehemaligen Priesters. Bloss: Von Ruhe kann keine Rede sein. Denn auch echte und behauptete Freunde von früher tummeln sich in Rom. Und Timo fliegt seiner Frau hinterher – in Begleitung seines Lieblings-Post-Docs.

Meine Gedanken zum Buch: Wo fange ich bloß an?, fragte ich mich in der Tat, denn dieses Buch können Sie drehen und wenden wie Sie wollen, und werden doch einem Anfang nicht aus dem Wege kommen. Isabella Breier sorgt also ordentlich für Verwirrung, noch bevor man eine einzige Zeile gelesen hat! Die Autorin erzählt eine Geschichte aus zwei Perspektiven, einmal bis zur Hälfte des Buches, dann also Klappe zu, einmal drehen und hinten, was dann ja vorne ist, wieder beginnen, oder aber weiter lesen, ganz wie Sie möchten.

Die Beschreibung im Klappentext wird Prokne & Co nicht wirklich gerecht, denn was ich daraufhin erwartete, war ein "normaler" Roman. Das besondere an diesem Roman jedoch ist, dass er eigentlich eine Groteske ist, was mir sehr schnell klar wurde, wenn es auch zunächst das einzig Klare war, denn ich erwartete ja etwas anderes. Es ist, als ob man eine Currywurst bestellt, und einen zuckersüßen Liebesknochen serviert bekommt (oder umgekehrt). Doch am Ende entscheidet ohne Zweifel der persönliche Geschmack.

Man kann eine Geschichte so oder so erzählen. Als ich sie gelesen hatte dachte ich "soso!". Ich mag Breiers Verzicht auf Worte, und ich mag, dass und wie sie mit den übrigen spielt – z.B.: "... sehe mich um und allmählich satt...". Ja, hin und wieder verzichtet Breier auf Worte, auf neue Worte, und verwendet statt dessen das bereits gebrauchte (ist ja noch gut!): "(...) soso, einsames rauchendes Fräulein mit Rucksack und Trolley, führt Selbstgespräche auf Deutsch, schaut und schaut und schaut und tut sonst nichts. Und was außer Schauen und Schauen und Schauen machen Sie (...)". Und Worte, die Sie zwar benötigt, die es aber noch gar nicht gibt, erfindet Isabella Breier kurzerhand, wie etwa Kleinstigkeit. Oder aber sie findet längst vergessene Wortschätze wieder, wie allfällig oder gewärtig. Die Autorin zwingt zum langsam lesen, zur Auseinandersetzung mit der Geschichte, zum Verstehen wollen und zum Denken.

Was mir sehr gefällt ist, dass Breier nicht die üblichen Floskeln benutzt, gibt es derer doch schon so viele, zu viele! Sätze, deren Ende sich nach den ersten drei Worten bereits sehr genau voraussehen lassen, die sind nicht ihr Ding. Und wenn man glaubt, ihr ist doch mal ein solcher Satz "herausgerutscht", dann erweist sich dies als Irrtum. Ein Beispiel: "(...) fass dir mein Herz und lass dich gehen!", nein, "ergänzen Sie sinngemäß" funktioniert beim Lesen von Prokne & Co nicht. An einer einzigen Stelle, bildete ich mir ein, Breier beim Verwenden einer Redewendung ertappt zu haben, und ratz fatz, machte die Autorin aus diesem "an und für sich!" im nächsten Absatz ein "für sich, an sich". Wie Breier solche Redewendungen dem Profanen beraubt, bereitet mir einfach Vergnügen!

Mit ihrer Geschichte von Prokne & Co stützt sich die Autorin übrigens auf mythologische Erzählungen, webt und spinnt lange Fäden daraus, bis in die heutige, klebrige Zeit. Mein Fazit: dieses Buch war eine willkommene Abwechslung, eine verrückte, lebendige, kluge Lektüre mit viel Wortspaß! Sie sollten es selbst lesen, sage ich, und Isabella Breier (O-Ton der scherzenden Umwelt): "Und zwar: nicht irgendwann, sondern flott, Frau Kompott, je bälder, desto besser!"

Prokne & Co von Isabella Breier
Kitab Verlag; broschiert, 298 Seiten, EUR 22.-
ISBN-10: 3902878150
ISBN-13: 978-3902878151