Preisregen für Österreichische Filme beim Max-Ophüls-Preis Saarbrücken (23.-29.1.17)

1. Februar 2017
Bildteil

Die Medienwissenschaftlerin Svenja Böttger als neue Leiterin des Festivals hat ihre Arbeit gut gemacht. 40.000 BesucherInnen zog das bedeutendste deutschsprachige Nachwuchsfestival in den Bann. "Lolas Bistro" hatte eine neue Adresse, dort standen gegen Mitternacht Talks mit den Filmleuten auf dem Programm und man konnte ungezwungen netzwerken.

Viele der ausgesuchten Filme wurden von Frauen gemacht und ein solcher wurde auch zum Sieger erklärt: Monja Arts "Siebzehn". Die Auswahlkriterien scheinen sich vor allem an einer prägnanten Bildsprache und beeindruckenden Bildern orientiert zu haben, fast alle Spiel- und viele Dokumentarfilme waren im schönen breiten Cinemascope-Format, obwohl das für die meist beteiligten Fernsehanstalten nicht ganz optimal ist. Neu war auch die Serie "MOP-Watchlist" mit ausgesuchten Filmen anderer Festivals.

Ein wahrer Preisregen ergoss sich über Österreich - dem Saarbrücker Publikum scheint der Wiener Schmäh einfach zu gefallen, wie er sich wohl deutlich im Publikumspreis für „die Migrantigen“ von Arman T. Riahi offenbart.

"Siebzehn" von Monika Art, der Gewinner des Max-Ophüls-Preises, feierte in Saarbrücken seine Uraufführung und Hauptdarstellerin Elisabeth Wabisch wurde noch zusätzlich als beste Nachwuchsdarstellerin ausgezeichnet.

Der Film ist ein wunderbares Beispiel wie ein an sich banales Thema hervorragend aufgearbeitet und kunstvoll verpackt werden kann, wie begabte Schauspielerinnen bewegen können. Mit 17 dreht sich alles um Sex und Liebe, wer mit wem, und auch die Frage der sexuellen Orientierung. Paula fühlt sich immer mehr zum eigenen Geschlecht hingezogen und erlebt auch in dieser Variante ihre Enttäuschungen. Über allem steht das Thema Sehnsucht, die umso stärker wird, je mehr sie unerfüllt und abwesend ist.

Der Publikumspreis ging an "die Migrantigen", der wohl am meisten nachgefragte Film des Festivals, in dem Arman T. Riahi die Klischees über Ausländer in Wien auf die Spitze treibt. Zwei an sich bestens integrierte Wiener stellen sich einem Fernsehteam als Omar (wie Omar Sharif) und Tito vor und führen durch das von vielen Migranten bevölkerte Viertel. Das Happy-End wirkt zwar sehr konstruiert, der Film passt aber in eine Zeit der "Fake News" und bewusst politisch unkorrekter Redeweisen.

Bei den Dokumentarfilmen stachen jene heraus, bei denen die Filmemacher die objektive Distanz zum Objekt ignorierten. So ging der Preis für den besten Dokumentarfilm an Nora Fingscheidts "Ohne diese Welt". Fingscheidt suchte nach den plattdeutsch sprechenden Mennoniten im Norden Argentiniens, die sich mit einigen Widersprüchen dem Fortschritt verweigern, ohne Radio, Fernsehen, Internet, Handy, Autos und Strom auszukommen versuchen und sich auch weigern ihre Kinder in eine öffentliche Schule zu schicken. Einzig die Bibel und der Katechismus stehen auf dem Lehrplan. Sie führen ein hartes Leben, verkaufen aber ihre Fleisch- und Milchprodukte. Glücklich wirken sie aber nicht.

Noch deutlicher wurde die Nähe zum Protagonisten bei „Als Paul über das Meer kam, Tagebuch einer Begegnung“, in dem Jakob Preuss eher zufällig Paul, einem Migranten aus Kamerun vor dem Zaun der spanischen Enklave Mellila in Marokko begegnet. Spätestens als Paul es bis Bilbao im Baskenland geschafft hat, greift der Regisseur helfend ein, um ihn ins begehrte Deutschland zu bringen.

In Berlin nehmen sich sogar seine Eltern Pauls an. Er wäre sonst laut Dublin-Verordnung wohl längst schon abgeschoben werden. Der Film beobachtete ihn 794 Tage lang – und Paul war im Kino anwesend. Kein spektakulärer Fall, aber umso nachvollziehbarer.

Den Preis der Saarländischen Ministerpräsidentin sowie den Preis der Ökumenischen Jury erhielt "Vanatoare" von Alexandra Balteanu. In kalten, dunklen Farben zeigt sie unspektakulär und mit wackelnder Handkamera das triste Leben von drei Frauen, die an einer Ausfallstraße bei Bukarest auf den Strich gehen. Als die Polizei auftaucht und ihr Geld beschlagnahmen will, eskaliert der Konflikt. Die Frauen beschuldigen die Polizeitruppe, sie auszurauben.

Im österreichischen Dokumentarfilm "Sühnhaus" glaubt die Filmemacherin Maya McKechneay an mit einem Fluch belegte Orte. Am Schottenring 7 in Wien war nach der 1848er Revolution der Richtplatz, wo die Knochen der Hingerichteten verscharrt wurden. Dann wurde hier das Ringtheater errichtet, bei dessen Brand am 8.12.1881 384 Menschen erstickten oder verbrannten, weil die Türen nach innen aufgingen.

Der Kaiser errichtete dann ein Sühnhaus, in dem auch der junge Nervenarzt Sigmund Freud seine erste Praxis hatte, bis sich seine Patientin Paula Seligman über die Treppen stürzte. Danach zog die Gestapo ein und setzte das Gebäude zu Kriegsende in Brand, um die Akten zu vernichten (es waren nicht die Bombentreffer!) und jetzt ist die Landespolizeidirektion Wien in dem schmucklosen Zweckbau beheimatet.

Mein persönlicher Favorit war "Die Liebhaberin", eine österreichisch-koreanisch-argentinische Koproduktion von Lukas Valenta Rinner. Wie Michael Haneke wird darin langsam und präzise geschildert, wie sich die Bewohner einer mit Elektrozäunen abgesicherten Siedlung für reiche Argentinier und die dahinter ihrem Tantra-Yoga frönenden Nudisten einen blutigen Showdown liefern. (Norbert Fink)