Pluralität

13. August 2005 Bernhard Sandbichler
26.09.2018 bis  26.09.2018
Bildteil

In Tirol soll unter Mitwirkung von Agnes Husslein öffentlicher Raum multipliziert werden: zu privaten Räumen. Am Anfang stand das Landesprojekt der Tiroler Kulturabteilung »Kunst im öffentlichen Raum«. »Diese Aktion soll dazu dienen, Kunst öffentlich zu machen und somit ins allgemeine Bewusstsein zu bringen und das nicht nur in Städten, sondern vor allem im ländlichen Raum«, so LR Dr. Elisabeth Zanon, die Hintergründe dieser Aktion in einer Verlautbarung des Landespressedienstes Ende Juli erläuternd; einer Aktion, die im Jahr 2006 begonnen und in den folgenden Jahren fortgesetzt werden soll.

»Bewusstsein für Kunst im öffentlichen Raum schärfen«: Auf diese Ankündigung öffentlicher Scharfmachung reagierte prompt Agnes Husslein, Direktorin des neuen Museums der Moderne am Salzburger Mönchsberg, welches die Salzburger abschätzig »Die Schachtel« zu nennen geruhen. Im Festspielsommer 2003 hatte Husslein mit einem ähnlichen Bauwerk Erfahrung gesammelt. Es war die Erfahrung medialer Wirksamkeit, die eine vernagelte Bretterbox hervorrief. Wobei: Ursprünglich befand sich an Stelle der Bretterbox eine von der Künstlergruppe Gelatin als »Arc de Triomphe« bezeichnete Skulptur, die Husslein im Festspielbezirk aufstellen ließ: ein Männlein mit nackter Plastilinhaut, vor allem aber mit erigiertem Penis, der Wasser direkt in den Mund des in Form einer turnerisch ausgeführten Brücke Positionierten strahlte. Eine heftige Diskussion entbrannte damals nicht etwa über die Frage, wieso ein Mann mit erigiertem Penis urinieren können sollte, sondern über die Freiheit der Kunst! Die Figur wurde daraufhin zuerst mit grauem Plastik abgedeckt, dann mit einer Holzbox umnagelt. Jetzt ist das temporäre Teil längst weg.

Ihre Erfahrungen mit Box und Schachtel will Husslein nun in Tirol einbringen. Ihr ginge es, so die aus altböhmischem Adel stammende Kultur-Avantgardistin, weniger um »Kunst im öffentlichen Raum« als um »Kunst in privaten Räumen«. Klar, dass sie sich hierbei als Multiplikator von Kunst allgemein verstehe. Ähnlich wie in Salzburg sollten auch in Tirol Projekte entstehen, die zuerst im öffentlichen Raum installiert, dann mit Sichtschutz versehen und damit quasi »privatisiert« werden. So entstehe das Paradoxon des Privatisierten im öffentlichen Raum. A la longue könnte man sich von Vorneherein auf Boxen und Schachteln konzentrieren und einen Inhalt »fingieren«. Solcher Art würden der öffentlichen Hand auch weniger Kosten entstehen.

In Tirol wird jetzt über Hussleins Vorschlag nachgedacht. Oder irre ich? Und wenn schon! »Errare humanum est«, sagt Vater Hieronymus (Epistulae 27,12), und wir sind schließlich alle bloß Menschen.

Quelle: Landespressedienst Tirol (Statement Zanon); frei erfunden (Statement Husslein)