Persönlich und politisch - Die Filme von Nanni Moretti

4. August 2008 Walter Gasperi
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Als der italienische Woody Allen wurde Nanni Moretti oft bezeichnet. Wie sein New Yorker Kollege führt auch Moretti nicht nur Regie, sondern spielt auch die Hauptrolle, die zumal in seinen frühen Filmen oft autobiographische Züge trägt. – Das Filmfestival Locarno widmet dem 55-jährigen Italiener eine Retrospektive.

Geboren am 19. August 1953 in Bruneck im Südtirol, wo seine Eltern Urlaub machten, wuchs Giovanni Moretti in Rom auf. Seine ersten Erfolge feierte er nicht auf filmischem Gebiet, sondern auf sportlichem, spielte er doch 1970 Wasserball in der Jugendnationalmannschaft Italiens. Ab 1973 widmete er sich aber dem Film und begann mit einer Super-8-Kamera Kurzfilme zu drehen.

Auf diese persönlichen filmischen Tagebücher folgte 1976 mit "Io sono un autarchico" sein erster, immer noch auf Super 8 gedrehter Langfilm, in dem Moretti auch den von ihm selbst gespielten autobiographischen Charakter Michele Apicellas einführte, der für lange Zeit zum filmischen Alter Ego des Regisseurs werden sollte.

Parallel dazu arbeitete er zusammen mit den Brüdern Paolo und Vittorio Taviani am Drehbuch von "Padre Padrone" (1977), in dem Moretti auch eine Nebenrolle spielte. Der Welterfolg dieses Films gab seiner Karriere weiteren Auftrieb und mit "Ecce Bombo – Der Nichtstuer" (1978) schaffte er den Sprung zum professionellen Film. In Anlehnung an Federico Fellinis "I vitelloni" (1953) schildert Moretti darin die Ziellosigkeit einer Gruppe junger römischer Intellektueller.

Wie in diesem Film steht auch in den beiden folgenden Werken die Figur des Michele Alpicella im Mittelpunkt. In "Sogni d´oro" (1981), der bei den Filmfestspielen von Venedig den Spezialpreis der Jury gewann, geht der Protagonist als enttäuschter Filmemacher der 68er-Generation auf Sinnsuche zwischen den Problemen mit Familie, Publikum, Kritikern und seinem nächsten Filmprojekt.

Vom komödiantischen Ton verabschiedete sich Moretti langsam in "Bianca" (1984), in dem er in wenig gelungener Mischung aus Komödie, Psychodrama und Krimi von einem Mathematiklehrer erzählt, der mit sich und der Welt nicht zurecht kommt. Grundsätzlich ernst ist dann "La messa è finita" (1985), der bei der Berlinale mit einem Silbernen Bären ausgezeichnet wurde. Moretti spielt darin einen jungen Priester, der in Konflikt mit alten Freunden der 68er-Bewegung und Familienmitgliedern gerät. Auseinandersetzung mit der italienischen Politik, auch Kritik an den Linksparteien, auf deren Seite er grundsätzlich steht, gehört ebenso zu den Konstanten in Morettis Werk wie persönliche und autobiographische Elemente.

Diese persönliche Komponente tritt besonders stark in "Caro Diario" (1994) in den Vordergrund, in dem sich Moretti erstmals selbst spielt und auf Vespa-Fahrten durch Rom im ersten und eine Beobachtung des sommerlichen Lebens im zweiten Teil, eine scheinbar satirische, aber von persönlichen Erfahrungen geprägte Abfolge von Arztbesuchen folgen lässt. An diesen internationalen Erfolg knüpfte "Aprile" (1998) an, in dem den Vaterfreuden und dem Wunsch ein realitätsfernes Musical zu drehen auf der einen Seite, die Einsicht in die Notwendigkeit einen Dokumentarfilm über die politische Situation und die Medien in Italien zu machen auf der anderen gegenüber steht.

Mit dem in Cannes 2001 mit der Goldenen Palme ausgezeichneten bewegenden Familiendrama "La stanza del figlio" (2001), in dem eine Familie am Unfalltod des Sohnes zu zerbrechen droht, gelang dem italienischen Filmemacher sein bislang größter Erfolg. Konzentrierte sich diese Tragödie ganz aufs Private, wobei gleichzeitig autobiographische Elemente erstmals weitgehend fehlten, verstärkte das Wiedererstarken Silvio Berlusconis in den folgenden Jahren wiederum Morettis politisches Engagement. Filmischer Ausdruck davon ist "Il Caimano – Der Italiener" (2006), in dem die Schaffens- und Ehekrise eines Filmemachers mit einer scharfen Attacke gegen Silvio Berlusconi verknüpft wird. Der insgesamt unausgewogene Film kam unmittelbar vor den Parlamentswahlen im April 2006, bei denen Berlusconi eine Niederlage erlitt, in die italienischen Kinos. Die Wiederwahl Berlusconis im Frühjahr 2008 konnte Moretti aber trotz seines Einsatzes nicht verhindern.