Sie waren Popstars, charismatische Netzwerker und (Selbst-)Vermarktungsgenies: Andy Warhol und Keith Haring gehören nicht nur zu den berühmtesten Künstler:innen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sie revolutionierten auch die etablierten Vorstellungen von Kunst und ihrer Verbreitung. Warhols poppige Bilder oder Harings tanzende Figuren sind Teil unseres kollektiven Bildgedächtnisses und in Werbung, Mode, Musik, und Film bis heute allgegenwärtig. Trotz großem Altersunterschied und verschiedenen Stilen waren die beiden Künstler Freunde und Weggefährten. Sie begegneten sich in der New Yorker Kunst- und Clubbingszene und beeinflussten einander – und viele andere.
Das Museum Brandhorst präsentiert die weltweit erste umfassende institutionelle Ausstellung, die sich beiden Künstlern widmet. Der Titel der Schau ist dem Motto von Keith Harings Geburtstagsfeiern entlehnt: "Party of Life" erzählt vom Kosmos der 1980er- Jahre, von MTV, Discos, Voguing, Hip-Hop, New Wave und Graffiti. In diesem Umfeld zeichnet die Ausstellung Warhols und Harings Künstlerfreundschaft nach. Dabei offenbart sie Parallelen in ihrem künstlerischen Selbstverständnis, ihrer Offenheit für Kooperation und gemeinschaftliche Projekte sowie in ihrer inklusiven Haltung: Kunst und ihre Botschaften sollten möglichst viele Menschen erreichen.
Andy Warhol (1928–1987) und Keith Haring (1958–1990) kamen beide aus christlich geprägten Familien aus Pennsylvania. Als junge homosexuelle Männer ließen sie die heteronormativen Strukturen jedoch früh hinter sich – beide zog es nach New York (wenn auch um 30 Jahre versetzt). Als Mitbegründer der Pop-Art hat Warhol das Verständnis von Kunst, aber auch den Kunstbegriff verändert und war maßgeblich prägend für den jungen Haring. Dieser hinterließ Tausende "Subway Drawings" (1980–1985) im öffentlichen Raum der New Yorker U-Bahn, setzte seine Kunst in aktivistischen Plakatkampagnen ein oder eröffnete 1986 mit Unterstützung von Warhol den Pop Shop, wo er von ihm selbst und anderen Künstler:innen entworfene T-Shirts, Buttons und Poster verkaufte. Warhols Spätwerk ist in dieser Zeit geprägt von unzähligen Auftragsarbeiten und Porträts berühmter Persönlichkeiten, aber auch von einer Rückkehr zur Malerei und der Hinwendung zu existenziellen und provokanten Themen: Gemäldegruppen wie "The Last Supper" (1984–1986) "Hammer and Sickle" (1975–1976) oder "Ladies and Gentlemen" (1975) zeugen von seinen präzisen Beobachtungen zu drängenden gesellschaftlichen Fragen. Warhol produzierte auch Fernsehsendungen. 1979 bemalte er einen Rennwagen und gestaltete damit das bekannteste Art Car für die deutsche Autofirma BMW. Die Ausstellung zeigt, wie sich die beiden Künstler von einem elitären Kunstbegriff distanzierten und mit dem Kommerz flirteten. Beide Künstler nutzten ihren unverwechselbaren Stil und verbreiteten ihn in verschiedensten Medien, Kanälen und Räumen – fast wie heutige Influencer:innen.
Andy Warhol und Keith Haring schöpften aus dem lebendigen Nachtleben und der Sub-, Celebrity- und Clubkultur in New York. Warhols Factory, aber auch Nachtclubs wie das Studio 54, Paradise Garage oder Club 57 galten nicht nur als Schmelztiegel für Experimente und Gemeinschaft, sondern auch als Orte des Austauschs und der Kollaborationen. Es entstanden Werke zwischen Warhol und Haring, wie Malereien, die sie Madonna zur Hochzeit schenkten, oder Plakate wie das für das 20. Montreux Jazz Festival. Haring inszenierte Warhol in seinen Arbeiten als "Andy Mouse", indem er seinen älteren Kollegen und Mentor mit Walt Disneys Mickey Mouse verschmelzen ließ. Warhol wiederum porträtierte Haring mit seinem Partner Juan Dubose oder fing ihn in persönlichen Aufnahmen am Strand ein.
Warhols und Harings Werke entstanden in einer Zeit extremer gesellschaftspolitischer Umbrüche und sind heute noch hochaktuell. In acht thematischen Räumen wird die Auseinandersetzung beider Künstler mit exzessiver Konsumkultur und den Möglichkeiten der neuen Medien, mit Queerness, Atomkriegsängsten, Aktivismus und der aufkommenden Krankheit Aids sowie mit dem Streben nach Gemeinschaft in Krisenzeiten erfahrbar. Auch die Kehrseite der "Party of Life" findet sich vor dem Hintergrund der schwelenden Aidsepidemie und der Auseinandersetzung beider Künstler mit dem Tod wieder.
Andy Warhol & Keith Haring. Party of Life
Bis 26. Januar 2025