P. B. Shelleys Wolke

4. Februar 2012 Bernhard Sandbichler
Bildteil

... bringt den Regen für das dürstende Leben von den Strömen und Seen – und hat überhaupt mehr zu bieten als die Postkartenhimmelsbläue in Zeiten des Massentourismus". Wie viel mehr, zeigt dieser hinreißende Prachtband.

1. Die Story: Im Anfang war der englische Romantiker Percy Bysshe Shelley und sein 1820 entstandenes Gedicht "The Clous". Berühmt waren er und es, unbändig waren beide. Die anderen beiden, die Steinhöfel-Brüder, sind vielleicht nicht so berühmt, aber doch ebenso ungebunden: Dass man ein englisches Gedicht übersetzt, mag noch hingehen; dass man dieses und so übersetzt, ist schon viel bemerkenswerter; und dass es als einzelgängerische Entdeckerreise verbissener Sammler (die Kinder sind) ausgestaltet ist, erinnert uns daran, wie abenteuerlich es ist, den Blick gen Himmel zu richten und den Erdenballast weit hinter uns zu lassen. Die Wolke: ein düsteres Thema, das alle Sinne erhellt!

2. Die Helden: Drei dieser Himmelsstürmer machen sich auf den Weg und verkramen sich weltvergessen. Ihr Augenmerk gilt den magischen Elementen Wasser und Erde, die sich mit den Antipoden Erde und Luft einlassen und alles in verschiedenste Aggregatzustände versetzen: "Denn wenn klar wie Kristall nach des Regens Fall / die Kuppeln des Himmels erstrahlen / dann lächle ich weise und unendlich leise / aus den dunklen Kavernen des Regens / wie ein Geist in der Nacht, wie ein Kind, das erwacht".

3. Der Sound: "That orbed maiden with white fire laden, / Whom mortals call the Moon, / Glides glimmering o"er my fleece-like floor, / By the midnight breezes strewn" – tönt gut, aber "In nächtlicher Leere glänzen silberne Speere, / die das Mondlicht der Sterblichen sind / und mit gleißenden Strahlen meinen Körper bemalen, / der zerstreut liegt im Mitternachtswind" tönt nicht minder gut wider: binnen- und kreuzgereimt, rhythmisch verleimt, in Abbildern Bilder schildernd!

4. Coole Worte: Gespinst und Gefieder, Hagel und Eis, Blitz und Donner, Grün und Weiß, Frost und Schnee, Raureif und Tau, Ozean und Erde, Bäche und Hügel, Strom und Land, Luft und Gebirge, Flüsse und Seen

5. Coole Bilder: Ein Gedicht aus 84 hochgespannten Versen, beinahe 200 Jahre alt, in fantastische Computergrafiken morphen? Ein kühnes Wagnis, das klarmacht, dass es so etwas wie Avantgarde auch heute noch gibt: formal, inhaltlich und kaufmännisch.

6. Zum Nachdenken: "Dem Schnee, dem Regen, / dem Wind entgegen, / im Dampf der Klüfte, / durch Nebeldüfte", das schreibt nicht Shelley, sondern Goethe über die rastlose Liebe. "Alles vergebens", ihr entgeht man nicht. Und des Himmels Bläue? "Ihr Werk war vergebens", übersetzt Andreas Steinhöfel zum Schluss, denn die Wolke "wie ein Geist in der Nacht, wie ein Kind, das erwacht" steigt auf.

7. Das Buch: Dirk Steinhöfel: P. B. Shelleys Die Wolke. Aus dem Englischen von Andreas Steinhöfel. Hamburg: Verlag Friedrich Oetinger 2011. 128 Seiten, EUR 19,95

8. Die AutorInnen: Dirk Steinhöfel illustriert seit 2003 ausschließlich digital. Mehr über ihn und seinen Bruder in jungen Jahren erfährt man in "Dirk und ich", Andreas Steinhöfels erstem Jugendbuch.