Das Vorarlberg Museum sammelt seit 2015 gezielt diese "Outsider-Art". Über 70 Kunstwerke sind mittlerweile angekauft oder durch Schenkungen in die Sammlung eingegangen. Sie vermitteln einen Eindruck von der kreativen Wucht und Ausdrucksstärke der bislang marginalisierten Kunstschaffenden.
Der Impulsgeber für diese neue Sammlung war Harald Gfader. Der Vorarlberger Maler arbeitet schon lange mit den "Art brut"-Künstler:innen zusammen. In der von ihm geführten Galerie "milk_Ressort" in Göfis stehen diese Arbeiten gleichberechtigt neben den Werken akademischer Künstler:innen. Das ist für ihn eine Selbstverständlichkeit. Gfader war es von Anfang an ein Anliegen, weg von der therapeutischen Kunst hin zur kreativen Kunst zu kommen. Um Künstler:innen mit Unterstützungsbedarf zu fördern, bedarf es aber mehr Zeitressourcen und Räume. So können sie im regelmäßigen Schaffen ihre Begabungen besser entfalten.
Neben Oberösterreich ist Vorarlberg das einzige österreichische Bundesland, das gezielt nicht-akademische Kunst sammelt. Das Ziel der strategischen Sammlungserweiterung ist es, die Vielfalt unserer Gesellschaft abzubilden. Die Ausstellung im Atrium ist dabei keine alibihafte Handlung. Bei der Planung künftiger Ausstellungsvorhaben wird der neue Sammlungsbestand jeweils miteinbezogen. Werke von Künstler:innen mit Unterstützungsbedarf anzukaufen, ist vergleichsweise einfach. Es gibt Kontaktpersonen.
Schwieriger ist es, an Arbeiten von Menschen zu gelangen, die am Rande unserer Gesellschaft leben und ihre Kunst im Verborgenen schaffen. Besonders in diesen Fällen ist das Vorarlberg Museum auf die Hilfe der Bevölkerung angewiesen und freut sich über Hinweise.
Meist im Großformat schaffen die Künstler:innen Werke, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Daniel Nesensohn zeichnet mit tiefschwarzen, kraftvollen Strichen in Grafit und Ölkreide. Es entstehen geballte, zügellose Energieschwärme. Helga Nagel erschafft Menschen und Tiere vor leuchtenden Hintergründen. Sie liebt es, in die Figuren rasterförmige Systeme einzuschreiben. Ganz anders Stefan Riedmann: Mit vertikalen und horizontalen Linien lässt er auf der glattgestrichenen weißen Seite des Kartons Strukturen entstehen, die an Architekturpläne erinnern. In einem zweiten Schritt füllt er das Liniengeflecht mit gleichmäßigen Schraffuren. Sein Arbeitsmaterial ist der Kugelschreiber.
Reine Lust und Freude an der Gestaltung zeichnet diese Kunstwerke aus. So unterschiedlich die einzelnen Zugänge auch sein mögen: Sie alle eint ein unbändiger kreativer Impuls. Es ist Kunst um der Kunst willen, fernab eines akademischen Diskurses und ohne Rücksicht auf den Kunstmarkt.
Der Grafiker Reinhold Luger, der Rechtsanwalt Günther Hagen, der Kulturarbeiter Franz Bertel sowie der Grafiker und Künstler Josef (Peppi) Hanser setzten sich ab 1970 für einen humanitären Strafvollzug in Vorarlberg ein. Im Rahmen der "Aktion Strafvollzug" besuchte die Gruppe für einige Jahre sonntags die Feldkircher Justizvollzugsanstalt. Dort malten sie zwei bis drei Stunden mit den Häftlingen. Ein Konvolut dieser eindrücklichen Zeugnisse über gab Reinhold Luger 2019 dem Vorarlberg Museum als Schenkung. Sämtliche dieser Gouachen werden in der Ausstellung gezeigt.
Mit Engelbert Bertel, Uwe Filzmoser, Annette Fritsch, Elfriede Höller, Savaş Kilinç, Lukas Moll, Christian Nachbaur, Helga Nagel, Daniel Nesensohn, Robert Nussbaumer, Stefan Riedmann, Michael Sahler, Ludwig Wagner, Irmgard Welte, Wolf-Georg, Leon Wust und anonyme Künstler (Aktion Strafvollzug).
Ausstellung Direkt!
Inklusive Aspekte in der Sammlung des Vorarlberg Museums
Kuratorin: Kathrin Dünser
Beratung: Doris Fässler, Harald Gfader, Christina Jacoby, Christine Lingg und Erika Lutz
21. Jänner bis 11. Juni im Atrium, Eintritt frei