Origen braucht ein Zuhause

7. Januar 2010
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Das Origen Festival Cultural unter der Leitung von Giovanni Netzer hat am traditionellen Neujahrs-Apéro die Pläne für ein neues Kulturzentrum in Riom präsentiert. Das weitläufige Anwesen "Sontga Crousch", das heute den Menzinger Schwestern gehört, soll dereinst das Herz der Kulturinstitution Origen bilden und Ausstellungsräume, Probesäle, Werkstätten und Verwaltung unter einem Dach vereinen – wenn es Origen gelingt, die erforderlichen Geldmittel bis Ende Oktober 2010 bereitzustellen. Ein kleiner Wettlauf mit der Zeit mit vielversprechendem Start.

An Neujahr lädt Origen zum traditionellen Apéro – und erzählt dabei von den neuesten Plänen des mittlerweile grössten und wohl auch eigenwilligsten unter den Bündern Festivals. Am vergangenen Freitag stellte Origen-Intendat Giovanni Netzer das Projekt eines Kulturzentrums in Riom vor und konnte auf magistrale Schützenhilfe zählen. Regierungsrat Stefan Engler strich die Bedeutung des Festivals für Identität und Gemeinschaft in Mittelbünden hervor und lobte den Mut zur Originalität und zum gehltvoll fordernden Programm. Thomas Kollegger, Vorsteher des Amtes für Gemeinden und Vorstandsmitglied des Fördervereins Pro Origen, betonte die einheitsstiftende Funktion des Festivals als Motor einer übergemeindlichen Zusammenarbeit. Der Förderverein Pro Origen zähle mittlerweile 450 Mitglieder und leiste einen bedeutenden Beitrag zur alljährlichen Präsenz des Festivals. Carmen Dedual, Gemeindepräsidentin von Riom-Parsonz, unterstrich die erfolgreiche bisherige Zusammenarbeit mit dem Kulturfestival und gab ihrer Hoffnung Ausdruck, dass sich die Präsenz der Kulturinstitution belebend und wertschöpfend auf das Gemeindeleben auswirke. Der Präsident der Fundaziun Origen, Alt-Bundesgerichtspräsident Giusep Nay, betonte den Willen des Stiftungsrates, das Projekt "Sontga Crousch" zu stemmen: eine solche Chance dürfe man sich nicht entgehen lassen.

In Riom bauten schon die Römer Steinhäuser mit Bodenheizungen und verzierten die Wände mit aufwändigen Malereien. Im Mittelalter profilierten sich die Herren von Wangen mit einem bleibenden Baudenkmal: mit der Burg Riom schufen sie eine der grössten Profanbauten jener Zeit in Graubünden. Der prominenteste Burgherr der Festung, Benedetg Fontana, verteidigte die Hoheitsrechte Graubündens gegenüber den Machtinteressen der Habsburger und gab dafür Leib und Leben. Riom ist ein guter Ort mit dichter Geschichte, die überall spürbar ist. Das Dorf steht symptomatisch für die kulturelle Vielfalt der Alpenregion, für die politische Autonomie der Berggebiete, für einen sanften Tourismus. Es ist ein guter Ort und ein guter Standort für Origen.

Das Haus "Sontga Crousch" der Menzinger Schwestern wurde im Jahr 1867 von Lurintg Maria Carisch erbaut. Carisch wurde 1821 geboren; als viertes Kind einer Bauernfamilie blieb ihm nichts anderes übrig als zu emigrieren. In Paris kam er zu Geld und Ansehen. Mit 44 Jahren kehrte er als Millionär nach Riom zurück – mit dem sehnlichen Wunsch, ein Haus zu bauen und seinen Lebensabend als Bauer zu verbringen. Bevor er jedoch Wohnhaus und Stallungen errichten liess, baute er an der Julia eine Mühle, eine Sägerei und eine Scheue; damit konnte er das benötigte Baumaterial aus dem eigenen Betrieb beschaffen. Lurintg Carisch starb 1898. Seine Kinder blieben ohne Nachkommen. In den 1930er Jahren wurde das gesamte Anwesen an die Schwestern von Menzingen verkauft. Die Klostergemeinschaft nutzte das Haus als Feriendomizil und hat die Liegenschaft mit grosser Sorgfalt in ihrer ursprünglichen Charakteristik erhalten.

Haus und Hof sind grosszügig angelegt. Das Haus verfügt über etwa 15 Zimmer auf drei Stockwerken. Darunter befinden sich gewölbte Kellerräume, darüber ein weitläufiges Dachgeschoss. Die Räume gruppieren sich auf allen Stockwerken um einen zentralen Mittelgang. Die Wohnräume sind meist über Eck angelegt und verfügen über vier Fenster: dadurch wirkt das ganze Haus hell und freundlich. Stilistisch ist das Haus ein spannender Mix zwischen französischer Innenarchitektur des ausgehenden 19. Jahrhunderts und einheimischer Bautradition. Das Wohnhaus wurde von den Menzinger Schwestern liebevoll erhalten. Grössere Eingriffe in die historische Baustruktur wurden unterlassen oder sind reversibel ausgeführt. Die bautechnisch wichtigen Installationen wurden kontinuierlich erneuert: das Haus verfügt über ein neues Dach; die Fenster wurden vor einigen Jahren komplett ersetzt. Das Haus verfügt über eine Stromheizung, die allerdings nur für die Beheizung während der Sommermonate angelegt ist.

Origen-Intendant Giovanni Netzer ist von der Idee eines neuen Kulturzentrums überzeugt: "Es ist zugegebenermassen etwas ungewohnt, ein Kulturzentrum dieser Dimension in einem Dorf mit 350 Einwohnern realisieren zu wollen. Aber ich bin überzeugt, dass unsere sogenannten "alpinen Brachen" über ein altes, archaisches, inspirierendes und ureigenes Kulturpotential verfügen, das markanten Tiefgang beweist, in der kritischen Ruhe der Berge bestehen muss und gerade deswegen an Urmenschliches rührt. Wir sind eine echte Alternative zum hektischen und zuweilen modischen Kulturbetrieb der Städte. Dafür lohnt es sich zu arbeiten und zu leben."

Die Fundaziun Origen unter dem Vorsitz von Alt-Bundesgerichtspräsident Giusep Nay erstellt und unterhält die Infrastruktur des Origen-Festivals. Die Fundaziun hat vom jetzigen Besitzer, dem Kloster Menzingen, eine einjährige Frist zur Finanzierung erhalten. Die Frist läuft Ende Oktober 2010 aus: bis dahin muss die Fundaziun Origen den gesamten Kaufbetrag, der etwas über eine Million Schweizer Franken beträgt, aufbringen. Sollte der Betrag bis dahin nicht gesammelt werden können, verfällt das Angebot der Schwestern und das Kulturzentrum kann nicht realisiert werden. Giovanni Netzer ist überzeugt, dass die Finanzierung gelingen wird: "Es gibt viele gute Gründe für dieses Projekt: wir fördern die Kultur der Region, wirken beim Erhalt der Sprachenvielfalt mit und schaffen ein einzigartiges kulturelles Angebot, das auch von touristischem Wert ist. Wir erhalten ein wunderbares Anwesen in seiner historischen Originalität und machen es öffentlich zugänglich. Daneben enstehen durch Betrieb und Ausbau mittelfristig neue Arbeitsplätze, die einen substantiellen Beitrag zur Vitalität und zur Entwicklung des Dorfes Riom leisten und die wertvolle Zusammenarbeit zwischen Festival und Gemeinde nachhaltig stärken."

Origen Festival Cultural
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