Organismen aus Linien, Flächen und Farben

Ernst Ludwig Kirchner – die Österreich Premiere des großen Expressionisten im Museum der Moderne Salzburg: Ernst Ludwig Kirchner (1880 – 1938), Gründungsmitglied der berühmten deutschen Künstlergruppe "Brücke" und einer der einflussreichsten Künstler des Expressionismus, zählt zu den Protagonisten der "Klassischen Moderne". Das Museum der Moderne Mönchsberg widmet Kirchner nun – als erstes Museum in Österreich überhaupt - eine Retrospektive mit ausgesuchten Gemälden, Zeichnungen und Druckgrafiken aus allen Schaffensperioden.

Die Ausstellung im MdM Mönchsberg präsentiert Spitzenwerke Ernst Ludwig Kirchners, von seinen malerischen Anfängen bis in die Zeit kurz vor seinem Tod. Die Exponate, zu je einem Drittel Gemälde, bedeutende Handzeichnungen und – teilweise äußerst seltene – Druckgrafiken stammen aus den Jahren 1906/07 bis 1935. Die Betrachter werden chronologisch durch die Ausstellung geleitet, die in großzügig dimensionierten Räumen und in lockerer Folge zwischen Gemälden und Arbeiten auf Papier wechselt. Von den malerischen Anfängen des vorerst zum Architekten ausgebildeten Künstlers über Hauptwerke aus seiner Dresdener und Berliner Zeit und dem in der Schweizer Bergwelt um Davos entstandenen Bilderreigen bis zu seinem "Neuen Stil" werden rund 130 Arbeiten Kirchners präsentiert.

Neben Hauptwerken aus der berühmten "Brücke"-Zeit mit ihren Aktdarstellungen, den Straßenszenen und "Stadtlandschaften" aus dem pulsierenden Großstadtleben von Dresden und Berlin, den Badeszenen von der Insel Fehmarn und den Berglandschaften wie Figurenszenen der Davoser Zeit, werden auch weniger bekannten Arbeiten aus dem Früh- und dem Spätwerk Kirchners mit bedeutenden Exponaten vorgestellt. Während sich der Künstler anfänglich vor allem von der französischen Avantgarde inspirieren ließ setzte er sich im Spätwerk – wenngleich in einer sehr eigenständigen Weise – mit den Bilderfindungen Pablo Picassos auseinander. Die Retrospektive ermöglicht einen neuen Blick auf Kirchners Gesamtwerk, dessen exzessives Leben und die intensive Umsetzung in seine Kunst auf eindrückliche Weise ihren Niederschlag gefunden haben.

Gastkurator der Ausstellung ist der ausgewiesene Kirchner-Experte Dr. Lucius Grisebach, der auch einen monografischen Essay für die zur Ausstellung erscheinende Publikation im DuMont Verlag beigetragen hat. Für die Salzburger Ausstellung konnten großartige Leihgaben aus internationalen Sammlungen zusammen geführt werden, so aus der Neuen Nationalgalerie Berlin, dem Brücke Museum Berlin, den Kunstmuseen Basel und Bern, dem Kirchner Museum Davos, der Galerie Neuer Meister Dresden, dem Städel Museum Frankfurt am Main, dem Groninger Museum, dem Museum Würth Künzelsau, dem Minneapolis Institute of Arts, der Pinakothek der Moderne München, dem Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien sowie der Hilti Art Foundation Vaduz und bedeutenden Privatsammlungen in Europa und den USA. Dabei sind auch Werke Kirchners zu sehen, die noch nie öffentlich gezeigt oder schon seit längerer Zeit nicht mehr ausgeliehen worden sind.

In Verbindung mit seinem bildkünstlerischen Werk zeigt ein besonderer Teil der Ausstellung Ernst Ludwig Kirchner als Fotografen. Die ersten erhaltenen Fotos, die noch mit einer schwer transportierbaren Plattenkamera aufgenommen wurden, entstanden ab dem Jahr 1908. Es sind Aufnahmen von Freunden, Bekannten, Modellen, Geliebten, aber auch Szenen aus dem avantgardistischen Atelierleben, Einblicke in Ausstellungen der "Brücke"-Künstler und Situationen der neuen Nacktbadekultur. Über dreißig Jahre hinweg hat Kirchner auch immer wieder Eindrücke von Landschaften und Straßenszenerien, aber auch eine stattliche Anzahl von Selbstporträts fest gehalten. Immer sind es fixierte Augenblicke seines unmittelbaren Umfelds. Intime Atelierszenen mit "Negertänzerinnen" und nackten Tänzern finden in seinen Gemälden ebenso ihren Niederschlag wie die Aufnahmen von Davos, des Sertigtals und der durch ihn verewigten Stafelalp. Wenngleich der Künstler das Fotografieren eher als Begleiterscheinung zu seinem Gesamtwerk sah, zeigt ein Vergleich mit seiner Druckgrafik und seinen Gemälden, wie groß die Wechselwirkung zwischen Fotografie und Bildender Kunst bei Kirchner war.

Zur Ausstellung erscheint eine Publikation im Verlag DuMont mit einem Vorwort von Toni Stooss und einem fundamentalen Essay des Kirchner-Experten Dr. Lucius Grisebach, in der sämtliche ausgestellten Werke farbig abgebildet werden. Hinzu kommen noch zahlreiche von Kirchner aufgenommene Fotografien (Katalog mit 320 Seiten, 187 Abbildungen um Euro 35,- im Museumsshop).

Ernst Ludwig Kirchner

31. Oktober 2009 bis 14. Februar 2010