Olah ehrte Felder

3. Juni 2019 Kurt Bracharz
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Ich bin mir sicher: Während meiner gesamten Schulzeit in den 1950er, 1960er Jahren in Bregenz hat niemals ein Deutsch- oder sonstiger Lehrer den Namen Franz Michel Felder erwähnt. Ich glaube, dass auch in den Volksschullesebüchern Felder nicht vorkam, kann das aber nicht aktuell nachprüfen. Bei der Gründung des „Vorarlberger Autorenverbandes“ 1982 (so hieß „Literatur Vorarlberg“ vor #metoo) dachte ich keinen Moment an Felder, und Michael Köhlmeier und Ingo Springenschmid wohl auch nicht. In der Anthologie „Thema Vorarlberg“ 1987 mit 32 Beiträgen, u. a. von Josef W. Janker, Gerold Amann, Eugen Andergassen, Natalie Beer, Werner Grabher, Norbert Loacker, Franz J. M. Ortner und Roger Vorderegger nimmt nur ein einziger Autor Bezug auf Felder, Peter Melichar schreibt in „12.000 Anschläge auf Vorarlberg. Über die Heimat auf der Suche nach ihr“: „Und in der Tat hat Vorarlberg ein befremdendes Verhältnis zu seinen Fremden, worunter durchaus nicht nur Durchreisende, zahlende Gäste oder Gastarbeiter zu verstehen sind, sondern eben auch alle, die (wie die Jugend) das Fremde im eigenen Wesen verkörpern, das oft nur darum fremd erscheint, weil es erstmals erblickt wird: das Neue. Einer, der Neues und Revolutionäres in sich verkörperte wie selten einer in Vorarlberg und der samt seinen Ideen und Reformplänen vielen seiner Landsleute so sehr fremd war, dass diese ihm Hindernisse in den Weg legten, wo sie nur konnten, und er sich in der Folge als von ,mittelalterlichem Fanatismus Verfolgter’ bezeichnete, war Franz Michel Felder. Für das Auseinanderbrechen dieses Gefüges, das Heimat war, bevor die Sprengkraft moderner Gesellschaft es bersten ließ, gibt es kaum einen bedeutenderen Zeugen als ihn, „ich ... hatte überhaupt keine Ahnung von dem Riss, der durch die ganze Gesellschaft geht und mehr abschließt als unsere Berge’, schrieb er 1868. Und weiter: ,In meiner Heimat gehörte alles zusammen.’“

Natürlich waren wir in den 1970er, 1980er Jahren nicht ganz unbeleckt, auch wenn Felder in der Öffentlichkeit kaum vorkam. Seine Bücher lagen nicht in den Buchhandlungen und wir wussten nichts Genaues über ihn selbst, wohl aber, dass damals seine Name mit jenem der bête noir der jungen Vorarlberger Schriftsteller, also dem Univ. Prof. Dr. Eugen Thurnher, verknüpft war. Was dem gefiel, konnte nichts für uns sein, so einfach denkt man mit zwanzig. Außerdem hatten wir mitgekriegt, dass alle Parteien einschließlich der Nationalsozialisten Felder für sich zu vereinnahmen suchten oder versucht hatten. Arbeiterkammer und Gewerkschaftsbund als Herausgeber veröffentlichten 1959 ein „Gedenkblatt zu seinem 120. Geburtstag und 90. Todesjahr“ von Hans Nägele, in dessen Vorwort der damalige Nationalratsabgeordnete und AK-Bildungsreferent Dr. Ernst Haselwanter schrieb: „Ja, Felder war Arbeiter und Bauer! Nicht deshalb, weil er neben den bäuerlichen Arbeiten auch solche eines abhängigen Arbeitnehmers ausführte, sondern vielmehr deshalb, weil er in seiner geistigen Haltung sich voll und ganz mit den Zielen der Arbeiterbewegung verbunden fühlte. (...) Am Sonntag, den 4. Oktober , findet am Vormittag am Grabe Felders eine Gedenkstunde mit Kranzniederlegungen statt. Ich freue mich ganz besonders, dass der Zweite Präsident des Nationalrates und Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, NR Franz Olah, bei dieser Gedenkstunde und bei der Felder-Feier am Abend dieses Sonntags im Festsaal der Arbeiterkammer in Feldkirch die Bedeutung der Persönlichkeit Felders für ganz Österreich würdigen wird. (...) Zu den Feiern sind die weltlichen und kirchlichen Behörden eingeladen.“

Felder und Olah – wem der Name des Letzteren nichts sagt, möge bitte googeln, warum der Sozialist Olah zehn Jahre später zu „einem Jahr schwerer Kerker“ verurteilt wurde. (Ja, es ging damals schon um die FPÖ.) Olah saß acht Monate ab, versöhnte sich später mit seiner Partei und wurde 2005 von Bundespräsident Fischer auf Vorschlag der schwarz-blauen (!) Regierung mit dem Großen Goldenen Ehrenzeichen der Republik mit Stern für Verdienste um die Republik ausgezeichnet. Ob er gerade der Richtige für eine Felder-Ehrung war ...