O wie schrecklich, o wie elend

16. Februar 2011 Rosemarie Schmitt
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Der Vater von Michael hatte eine Musikalienhandlung. Wann immer Michael es wollte, konnte er das Sortiment bestaunen und mit all den wundervollen Dingen spielen, die in solch einen Laden gehören. Der Vater von Thomas Arne hatte ein Bestattungsunternehmen...

Später beschäftigte Arne sich dann für sein Leben gerne und lieber mit der Musik. Er war nicht nur sehr erfolgreich sondern auch ungeheuer fleißig. Außer Sinfonien, Kantaten, Oratorien, Violinsonaten, Orgelwerken und Liedern komponierte er 30 Opern. Wer tut sich das denn heute noch an? Er war tüchtig und offensichtlich alles andere als dumm, denn er legte sich sein Leben ganz geschickt, man könnte sogar den Eindruck haben, scharfsinnig zurecht. Er begann damit, sich bereits als Kind den zweiten Vornamen Augustine zuzulegen, was soviel bedeutet wie "der Erhabene". Man weiß ja schließlich nie... Es hält sich jedoch hartnäckig das Gerücht, daß er dies seiner streng katholischen Mutter Anne, der Anmutigen, zuliebe getan habe.

Sein Fleiß und seine Zielstrebigkeit kannten kein Erbarmen. Er besuchte das College in Eton und nervte die Mitschüler mit seinem Flötenspiel am Tag, und des Nachts mit den Übungen am Spinett. Nicht nur er bekam deshalb einen Dämpfer, sondern sogleich auch das Spinett, indem er die Saiten des bösen "Störenfriedes" mit Taschentüchern vollstopfte um die Lautstärke zu reduzieren. Mit 16 startete Thomas Arne den Versuch, dem Wunsch seines Vaters gerecht zu werden und begann eine juristische Ausbildung bei einem Londoner Rechtsanwalt. Der Versuch scheiterte und Arne tauschte das Studium der Rechtswissenschaften alsbald gegen das der Musik. Er spielte nun mal am liebsten die erste Geige. Damit überzeugte und versöhnte er schließlich auch seinen Vater, als dieser ihn bei einem Konzert eben diese erste Geige spielen hörte. Den darauf folgenden Wunsch seines "alten Herren" erfüllte er gerne und unterrichtete fortan seine Schwester Susanna, wie auch seinen Bruder Richard in Gesang.

Zum Zurechtlegen seines von der Musik getragenen Lebens kann getrost auch seine Heirat gelten. Die Auserwählte war eine zu jener Zeit sehr berühmte Opernsängerin. Sie war zarte 25 und hieß Cecilia Young. Thomas Arne war 27 und nicht mehr ganz so young. Diese Heirat paßte Arne in vielerlei Hinsicht, und einige Jahre soll das Paar auch recht glücklich gewesen sein. Dieses Glück beflügelte Arne und ließ ihn allerhand und allerlei Kompositionen gebären. Im Jahre 1745, die Krise, in der England sich befand, schien kein Ende zu nehmen, landete Thomas Arne einen Hit. Jede Nacht wurde sein patriotisches Lied "God bless our noble king" gesungen, und zwar solange die Krise andauerte. Vielleicht sollte Deutschland auch damit beginnen des Nachts (solange die Krise andauert) zu singen, doch haben wir genügend Stimmen von erforderlicher Ausdauer, und wen sollte God blessen? Doch ich drohe abzuschweifen. Ich sprach von Thomas Arne und dessen Glück.

Damals, im 18. Jahrhundert in England, ging es kaum anders zu als heute im 21. Jahrhundert in Deutschland. Um das Jahr 1755, Thomas und Cecilia waren immerhin bereits 18 Jahre verheiratet, machten sich Gerüchte breit, daß es um die Ehe der beiden nicht gut bestellt sei. Er, so sagte man, war der Meinung, die ständigen Krankheiten seiner Frau grenzten schon an Wahnsinn. Sie, so sagte man, wollte die Seitensprünge ihres Mannes nicht länger hinnehmen. Alles Gerede? Ich weiß es nicht. Im selben Jahr noch, das ist gewiß, verließ Thomas Arne seine Frau und ging mit seiner Geliebten Charlotte Brent fort. Die 40 Pfund, die Arne seiner Frau jährlich zahlen sollte, blieben aus. So gab Cecilia Gesangstunden um ihren Lebensunterhalt selbst zu finanzieren. 11 Jahre mußte sie warten, bis sie sich der Freude über die ausgleichende Gerechtigkeit hingeben konnte, denn 1766 heiratete Charlotte Brent ihren Geliebten, den Geiger Thomas Pinto. Ja, lieber Thomas Arne, auch andere mochten einmal die erste Geige spielen.

Erneute 11 Jahre später söhnte sich das Ehepaar endlich aus. Doch kurze zwei Monate später wurde Arne so ernsthaft krank, daß er sein Testament machte. Ob Cecilia nun von dem Kranksein ihres Mannes ebenso genervt war wie er einst von ihrem? Ich glaube es nicht. 5 Monate nach der Versöhnung starb Thomas Arne an einem "krampfartigen Leiden". Er wurde 67. Als Thomas Arne 18 war und dabei die Welt zu entdecken, feierte man die Geburt des britischen Seefahrers und professionellen Entdeckers James Cook. Und just als dieser vor Hawaii die Segel hißte, mußte Arne die seinen streichen.

Nun haben Sie das ein oder andere über, doch haben Sie schon etwas von Thomas Arne gehört? Von mir bekommen Sie zu diesem Zweck gerne eine Empfehlung, und die Plattenfirma Codaex liefert Ihnen hierzu die passende Aufnahme. Eine der 30 Opern die Arne komponierte, veröffentlichte kürzlich das von Codaex "vertriebene" Label Linn-Records. Die wundervolle, in englisch gesungene Oper "Artaxerxes". (Ja, Thomas Arne war auch ein Zeitgenosse Händels) Es geht in dieser Oper um einen König von Persien, Verrat, Meuchelei, Mord, Betrug, Stolz und natürlich um Liebe! Und glauben Sie mir, liebe Leser, diese Oper ist des Hörens wert!

"O too lovely, too unkind,
if my lips no credit find!"
(O wie schrecklich, o wie elend,
wenn meine Lippen keinen Glauben finden!)

Herzlichst,
Ihre Rosemarie Schmitt