Neue Filme von Egoyan, Ozon, Dumont und Glasner beim 57. Filmfestival von San Sebastian

18. September 2009
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Den Sommer in den Herbst verlängern kann man beim 57. Filmfestival von San Sebastian/Donostia (18. bis 26. September). An Ambiente ist die spanisch-baskische Atlantikstadt kaum zu übertreffen und dazu kommen heuer ein Wettbewerbsprogramm, das zumindest von den Namen her Einiges verspricht, und wie gewohnt neue lateinamerikanische Filme, mit den "Pearls" ein "Best of other Festivals" und zwei große Retrospektiven.

Eröffnet wird das heurige Festival – und damit auch gleich der Wettbewerb um die Goldene Muschel – mit dem neuen Film des Kanadiers Atom Egoyan. Berühmt für seine kunstvolle Verschachtelung mehrerer Zeitebenen legt er nach eigener Aussage mit "Chloe" seinen bislang konventionellsten Film vor. In die Medien kam "Chloe" schon vergangenen März, als die Dreharbeiten vom tödlichen Skiunfall Natasha Richardsons, der Gattin des Hauptdarstellers Liam Neeson, überschattet wurden.

Bevor Egoyans Film in San Sebastian/Donostia seine Europapremiere erlebt, wird er schon beim Internationalen Filmfestival von Toronto zu sehen sein. Seit einigen Jahren werden zahlreiche Filme zwischen den beiden Festivals ausgetauscht, ein Umstand, der das Niveau des Programms gehoben haben dürfte. Unter anderem ebenfalls direkt aus Toronto ins Baskenland kommen so die neuen Filme der beiden Franzosen Francois Ozon und Bruno Dumont. Ozon legt mit "Le refuge" die Charakterstudie einer jungen schwangeren Frau vor. Dumont dagegen porträtiert in "Hadewijch" zunächst eine tiefreligiöse junge Frau um seinem Film dann eine überraschende Wende zu geben.

Wie Dumont ist auch der Deutsche Matthias Glasner für Kontroverses gut. Nachdem er in seinem umstrittenen "Der freie Wille das Psychogramm eines Vergewaltigers" "Der freie Wille" zeichnete, kreist "This Is Love", der teilweise in Vietnam gedreht wurde, nach eigener Aussage des Regisseurs um die Geister der Liebe.

Mit Naomi Watts, Annette Bening und Samuel L. Jackson hochkarätig besetzt ist der von Alejandro González Inarritu produzierte und von Rodrigo García inszenierte Drama "Mother and Child", in dem es in überlappenden Geschichten um eine 50-jährige Frau, die vor langer Zeit ihre, mittlerweile erwachsene Tochter zur Adoption freigegeben hat, sowie um eine Frau, die selbst ein Kind adoptieren möchte.

Während die USA ansonsten eher schwach vertreten sind, ist San Sebastian wie nicht anders zu erwarten ein guter Boden für Premieren von spanischen und lateinamerikanischen Produktionen. So konkurriert aus Argentinien Juan José Campanella mit "El secreto de sus ojos" um die Goldene Muschel, während Spanien mit Isaki Lacuestas "Los condenados", Javier Rebollos "La mujer sin piano" sowie Álvaro Pastors and Antonio Naharro Spielfilmdebüt "Yo, tambien" im Wettbewerb und zudem mit Fernando Truebas "El baile de la Victoria" außer Konkurrenz verteten ist.

Gespannt sein darf man aber auch die Asiaten, kommen aus diesem Kontinent mit "City of Life and Death", dem neuen Film von Lu Chuan, dem Regisseur des packenden Tibet-Western "Kekexili" und "The White Meadows" des Iraners Mohammad Rasoulof, der zuletzt mit "Iron Island" Aufsehen erregte und "I Came from Busan" des Koreaners Jeon Soo-il doch immerhin drei Wettbewerbsbeiträge.

Während die Sektion "New Directors" immer gut für Entdeckungen, aber auch nicht frei von Enttäuschungen ist, und die "Horizontes Latinos" mit 17 Produktionen einen Einblick in das aktuelle lateinamerikanische Filmschaffen bieten, kann man bei den "Pearls", einem "Best of other Festivals", auf Nummer sicher gehen. Nicht nur im deutschsprachigen Raum schon Angelaufenes oder demächst Anlaufendes von "The Limits of Control" bis Ang Lees "Taking Woodstock" wird in dieser Schiene gezeigt, sondern auch Woody Allens neuer Film "Whatever Works", Johnny Toes "Vengeance", Jacques Audiards "Un prophéte" oder Oliver Hirschbiegels "Five Minutes of Heaven".

Berühmt ist San Sebastian aber auch für seine großen Retrospektiven. Eine ist dabei immer einem Regisseur gewidmet, die zweite einer bestimmten Periode und Richtung des Kinos. Mit Richard Brooks steht heuer ein echter, aber doch kaum beachteter Hollywood-Professional im Mittelpunkt, während sich die thematische Retrospektive unter dem Titel "Backwash: The Cutting Edge of French Cinema" dem französischen Kino des letzten Jahrzehnts widmet.