Neue Filme von Doris Dörrie, Johnnie To und Majid Majidi

13. Februar 2008
Bildteil

Je länger die Berlinale dauert, desto mehr zementiert sich die Favoritenposition von Paul Thomas Andersons "There Will Be Blood" heraus. Immerhin preisverdächtig ist Majid Majidis "The Song of Sparrows", während Johnnie To sich mit "Sparrow" als souveräner Spieler erweist und Doris Dörries "Kirschblüten" im falschen Wettbewerb läuft.

Als Trudi vom Arzt erfährt, dass ihr Mann Rudi nur noch kurze Zeit zu leben hat, versucht sie dem Unwissenden die bleibende Zeit zu versüßen. Sie machen zwar keine Reise in ihr Traumland Japan, aber immerhin kann sie den bayrischen Beamten bewegen, wieder mal ihre Kinder in Berlin zu besuchen. Bei einem Trip an die Ostsee stirbt dann aber völlig überraschend die Frau und Rudi bleibt allein zurück. Um über seinen Schmerz hinwegzukommen und in die geistige Welt seiner Gattin einzutauchen, reist er nach Japan, wo ihr ältester Sohn lebt.

Mit zwei Stunden ist "Kirschblüten" zwar überlang, aber sonst hat Doris Dörrie diese Geschichte brav inszeniert. – Leider eben so brav, dass der Film nie einen Kinomoment entwickelt, nie überrascht und im Fernsehen sicher weit besser aufgehoben wäre als im Wettbewerb eines großen internationalen Filmfestivals. So brav die Regie, so solide ist das Spiel des von Hannelore Elsner und Elmar Wepper angeführten Ensembles. Nette Scherze mit Weißwürsten und Krautwickeln in Japan und Kommunikationsproblemen werden auch eingefügt – liebevoll ist das, aber auch wieder so nett, dass es schon wieder nervt. Gespielt wird auch von der "Eintagsfliege" bis zur "Kirschblüte" auf jeder Ebene mit dem Thema "Vergänglichkeit" und nicht zu übersehen ist der Einfluss von "Lost in Translation" und vielleicht auch von "Schultze Gets the Blues". – Zum Crowdpleaser könnte sich "Kirschblüten" mit seiner Menschlichkeit und Warmherzigkeit entwickeln, echtes Kino sieht aber anders aus.

Solches legt bei der Berlinale Johnnie To mit "Sparrow" vor. Die Handlung um vier Hongkonger Taschendiebe, die im Auftrag einer schönen Frau einem alten Geschäftsmann einen Schlüssel stehlen sollen, ist völlige Nebensache – im Grunde ein MacGuffin, der To nur dazu dient seine Inszenierungskünste zu demonstrieren. Wie seine Protagonisten erweist sich der Hongkonger Regisseur dabei aber von der ersten fantastischen Plansequenz an als Vollprofi. Unterlegt von einem jazzigen Soundtrack zieht er mit einer Souveränität und Eleganz sein Spiel herunter. Luftig leicht kommt diese Petitesse daher, wirkt wie aus der Hand geschüttelt, nimmt sich selbst nicht ernst und parodiert nebenbei Filme wie "The Big Sleep", "Mission Impossible" oder "Ocean´s Eleven". – "Sparrow" ist sicher kein großer Film, aber ihm zu folgen bereitet immerhin 90 Minuten ungetrübtes und lustvolles Vergnügen.

Erfreuen bei Johnnie To die Coolness und Lässigkeit der Inszenierung, so zeichnen sich die Filme des Iraner Majid Majidi durch die leuchtenden Farben und die humanistische Grundhaltung aus. Würde sein Name nicht im Vorspann von "The Song of Sparrows" stehen, man wüsste spätestens nach zehn Minuten, dass es sich um einen Film von Majidi handelt. Nur bei ihm leuchtet die verdorrte iranische Steppe so gelbbraun und der Himmel stahlblau. Unverkennbar aber auch der warmherzige Blick auf den Familienvater Karim, der seinen Job auf einer Straußenfarm verliert, als eines der wertvollen Tiere entkommt. Gesteigert wird die Not der Familie noch dadurch, dass das Hörgerät der tauben Tochter – körperliche Behinderung gab es bei Majidi schon in "Die Farben des Paradieses" - zu Bruch geht und sich die Kosten für Reparatur oder Neukauf als hoch erweisen. Beim Trip mit dem Kleinmotorrad in die Metropole Teheran wird der Vater durch einen Irrtum zum Taxifahrer. Weil dieser Job recht einträglich ist, bleibt er dabei, verändert sich damit aber auch und bringt immer mehr Sperrmüll aus Teheran in sein Haus auf dem Land. Da ist erst ein Unglück nötig und die sich daran anschließende Solidarität der Familie, damit er erkennt, dass materielle Güter nicht wichtig sind.

Zutiefst menschlich ist dieser Film, schön erzählt und auch auf der Klaviatur der Gefühle versteht Majidi zu spielen ohne in Sentimentalität abzugleiten. Wie andere Filme dieses Regisseurs ist auch "The Song of Sparrows" zwar kein Kinderfilm, aber doch recht kindlich nicht nur im Verhalten des Vaters, sondern überhaupt in der Figurenzeichnung und der einfachen Erzählweise. Anschaulich wird zwar der Stadt-Land-Gegensatz ins Bild gerückt, wird dem Geschäftsdenken in der hektischen Stadt, Solidarität auf dem als Idylle präsentierten Land gegenübergestellt und mit Straußen, Spatzen und Fischen das Thema Freiheit-Gefängnis angeschnitten, doch vertieft und damit gearbeitet wird nicht. – Auseinandersetzung mit und Kritik an den politischen und sozialen Verhältnissen im Iran sind diesem ebenso schönen wie durch und durch sympathischen Film kein Thema.