Neue Architektur in Südtirol 2006-2012

Seine besondere geopolitische und kulturelle Dimension machen Südtirol zu einer wahren "case history" zeitgenössischer Architektur. So ergab sich aufgrund des Erfolges der ersten Ausgabe der Ausstellung "Neue Architektur in Südtirol 2000–2006" im Jahr 2006 die Notwendigkeit, diesen Weg weiterzuverfolgen und ein kritisches Augenmerk auf diese lebendige und innovative Architekturbewegung zu richten, die auf immer größeres internationales Interesse stößt.

Seit der Ausstellung "Architektur in Südtirol 2000–2006" sind sechs Jahre vergangen. Es wird Zeit, ein Fazit zu ziehen: Der Katalog ist vergriffen, trotz einer Auflage von 3500 Exemplaren, die in ganz Europa und den USA verteilt wurden. Als Wanderausstellung konzipiert, hat sie u.a. in St. Gallen (CH), Augsburg (D), Kärnten und Vorarlberg (A) Station gemacht. Südtirol hat seinen Bekanntheitsgrad erhöht; vor allem im restlichen Italien begegnete man der einheimischen Architektur und ihren Belangen mit größerer Aufmerksamkeit und brachte dabei auch den Architekturtourismus auf den Weg.

Nun stellt sich die Frage, ob bereits genügend Zeit vergangen ist, um den Focus schon wieder auf das architektonische Panorama Südtirols zu richten, oder doch noch zu wenig, um essentiell Neues seit der letzten Ausgabe zu entdecken. Hat Südtirol in der Zwischenzeit die alpine Architektur neu erfunden? Weder das eine noch das andere: Ausschreibungen erfolgen weiterhin auf Initiative der öffentlichen Hand und auch private Auftraggeber bedienen sich dieses Auswahlinstrumentes.

Es wird weiterhin gebaut. Ist es zu neuen Aufträgen gekommen? Zum Teil, denn plötzlich haben komplementäre Bereiche wie Nachhaltigkeit, Ressourcenplanung, Energieeinsparung, Klimahaus usw. Eingang in die Ausschreibung von Bauprojekten gefunden. Der Bausektor vermarktet sie zwar absolut erfolgreich, aber zu einschneidenden Auswirkungen auf Architektur, Landschaft und Urbanistik haben sie trotz allem nicht geführt. Wie könnte es auch anders sein, wenn sie sich nur der Effizienz und nicht der Kultur verpflichtet fühlen? Es handelt sich nun darum aufzuzeigen, ob die letzten sechs Jahre ausreichend waren, um zu Auswirkungen zu sehen, Erkenntnisprozesse in Gang zu setzen oder einen Qualitätssprung zu erzielen.

Für diese Ausstellung wurden neue Wege beschritten. Neben Kunst Meran und Künstlerbund tritt auch die Südtiroler Architekturstiftung als treibende Kraft auf den Plan. Der Katalog wurde schwung- und wirkungsvoll von ONLAB (Berlin) produziert. Das Ausstellungsmaterial ist so vorbereitet, dass es jederzeit digitalisiert und an andere Ausstellungsorte verschickt werden kann. Der neue Kurator Flavio Albanese, ehemaliger Direktor der Zeitschrift Domus, hat sich zum Sprachrohr für ein etwas anderes Projekt gemacht.

Es geht nicht darum, den Mainstream zu bedienen und ausschließlich das zu zeigen, was sich in der Zwischenzeit im Alpenraum konsolidiert hat und auch hierzulande gekonnt umgesetzt worden ist, sondern das, was für Südtirol eigentlich charakteristisch oder typisch ist (vorausgesetzt es gäbe das wirklich), wie das Vorläufige, dem es unter dem Druck der Zeitumstände gelungen ist, sich den Herausforderungen einer ungewissen Zukunft zu stellen, im Gegensatz zum unverhältnismäßigen Optimismus und dem Überfluss der letzten Jahre.

So hat die Jury, bestehend aus Flavio Albanese (I), Wolfgang Bachmann (D), Vasa Perovic (SLO), Bettina Schlorhaufer (A) und Anette Spiro (CH), in ihrer Auswahl dem Kleinen, dem Unscheinbaren, dem Empfindlichen, dem sich Tarnenden, der "neuen Architektur im Kontext", dem Genius Loci, also den einfachen aber qualitativ hochwertigen Baumaßnahmen den Vorzug gegeben.

Neue Architektur in Südtirol 2006-2012
11. Februar bis 6. Mai 2012