Muttertag im November

2. November 2011 Rosemarie Schmitt
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Sie sei die vollkommene Musikern, behauptete André Previn. Das sollte nicht überbewertet werden, denn bei ihm und für ihn spielte sie ein paar Jahre ohnehin die erste Geige. Und welcher Ehemann erliegt nicht zuweilen dem Irrtum, diese, seine erste Geige sei vollkommen und stets perfekter Stimmung? Ich möchte gerne wissen, welcher Meinung der Pianist, Komponist und Dirigent heute ist, fünf Jahre nach der Scheidung seiner fünften Ehe. Doch bedenke ich es recht, brächte mich dieses Wissen auch nicht weiter. Sei’s drum, die einen lieben sie, die anderen stört sie nicht, und die wenigen restlichen fragen sich, was an dieser Frau und Musikerin so besonders ist.

Besonders ist, daß Anne-Sophie Mutter eine ehrgeizige, erfolgreiche, stets nach Perfektion strebende, außergewöhnliche Musikerin ist, die über ein schier grenzenloses Repertoire verfügt. Seit nunmehr 35 Jahren steht sie auf den großen Bühnen dieser Welt und wird vom Publikum bejubelt. Ihre enorme technische Präsenz, diese fabelhafte Deutlichkeit, die kaum überbietbare Reinheit und natürlich ihr attraktives Äußeres, werden von den Medien immer wieder lanciert. In einem Interview mit Oswald Beaujean sagte die Geigerin: "Ich bin sehr rastlos, wobei ich mich mit der Vergänglichkeit des Lebens längst abgefunden habe. Aber vielleicht ist es gerade diese Vergänglichkeit, die mich drängt, möglichst viel anzufangen und möglichst viel gleichzeitig zu Ende zu bringen. (...)"

Als ich dies las, wußte ich: das ist also, was ich empfinde, wenn ich ihr Geigenspiel höre. Irgend etwas störte mich, doch konnte ich nicht herausfinden, was genau dies immer gewesen ist. Hastig, manchmal gewaltsam, streng, technisch an Perfektion grenzend, auf ewig jung sein wollend. Ich glaube an die Unmöglichkeit, das eigene Empfinden von der Musik zu trennen, ob als Musiker oder als Zuhörer. Alle Wünsche, Hoffnungen, Empfindungen fließen in die Musik mit hinein. Die Vergänglichkeit des Lebens? Nicht altern wollen? Stets jung und begehrt sein? Man wird nicht jünger, umgibt man sich mit älteren Menschen, es sieht nur so aus. Lichtes Spiel.

"Lichtes Spiel", so lautet der Titel der CD (Deutsche Grammophon / Universal-Music) und einer Komposition von Wolfgang Rihm, die Anne-Sophie Mutter mit dem New York Philharmonic Orchester auf ihrer neuen CD einspielte. Ein Album mit Weltersteinspielungen von neuen Werken, die Wolfgang Rihm, Sebastian Currier und Krzystof Penderecki der Geigerin gewidmet haben: ein weiteres Zeugnis ihres Engagements für zeitgenössische Musik.

Und für alle, die nie genug, noch zu wenig oder gar noch überhaupt nichts von der Weltklasse-Geigerin (und dies ist nicht ironisch zu verstehen, bitte) besitzen: mit der De-Luxe-Kassette ASM35 ehrt die Deutsche Grammophon die Künstlerin Anne-Sophie Mutter. Diese Box enthält auf 40 CDs ihre gesamten DG-Aufnahmen von 1978 bis 2010.

Außerdem gibt es erstmals in Anne-Sophie Mutters umfangreicher Diskographie auch eine Zusammenstellung mit ihren beliebtesten Aufnahmen: The Best of Anne-Sophie Mutter. Auf zwei CDs finden sich Auszüge aus ihren Referenzeinspielungen der großen Klassiker der Geigenliteratur. Mozart, Mendelssohn, Tschaikowsky, Sibelius, Massenet, Lieder ohne Worte mit viel Violine und noch mehr Anne-Sophie Mutter.

Ihr unbeschreiblicher Erfolg beweist, daß ich die Musik der schlanken Geigerin anders empfinde als die breite Masse. Aber Sie wissen ja: Musik ist und bleibt eine sehr persönliche Angelegenheit...

Herzlichst,
Ihre Rosemarie Schmitt