Musik ungeklärter Herkunft

Am 10. Juni 2010 ist Sigmar Polke gestorben, einer der international bedeutendsten Nachkriegskünstler. Polke hat als Maler, Grafiker und Fotokünstler gearbeitet und sich vor allem durch seine ironischen Bildinhalte und seine alchimistischen Herangehensweise an die Malerei einen Namen gemacht. Im Jahr 2000 hat der Künstler den Goslarer Kaiserring erhalten und damit die höchste Auszeichnung, die in Deutschland für zeitgenössische Kunst vergeben wird.

Das Horst-Janssen-Museum und der Oldenburger Kunstverein erinnern in einer Doppelausstellung an diesen überragenden Künstler. Das Horst-Janssen-Museum zeigt 40 großformatige Gouachen, die 1996 für das Institut für Auslandsbeziehungen entstanden sind und seither in den Museen der Weltmetropolen gezeigt wurden. Die leuchtend farbigen Blätter zeigen das ganze Spektrum der für Polke typischen Arbeitsweise: Bildzitate aus Kunstgeschichte und Trivialkultur werden in gemalten Punktrastern zusammen gebracht; grelle Farben ergießen sich in Schlieren auf dem Papier, ausgeklügelte Kompositionen treffen auf zufällig entstandene Muster und Ornamente. Die absurd-komischen Bildtitel schaffen eine zusätzliche Inhaltsebene.

Wenn Polke sich in einem Bild die Frage stellt, ob "Wissenschaftler, erfinderische Zwerge" sind, die man für alles mieten kann", dann liefert dieses Zitat, das er als Bildtitel einsetzt, die schönste Vorlagen für weitreichende Spekulationen zu seinem Bild. Die Bildtitel der Werke führen ein gewisses Eigenleben. Sie sind meist mehrere Zeilen lang und aus unterschiedlichen Quellen zusammengesetzt: Kalendersprüche, Haushaltstipps und Werbeslogans werden wild vermischt, und künden von der Absurdität des Alltags. Ebenso wie die Titel werden auch die Werke selbst aus Versatzstücken der Bildenden Kunst und der Alltagskultur komponiert. Barocke Paare, Barbiepuppen, Hausfrauen und Wissenschaftler geben sich mit abstrakten Motiven ein Stelldichein.

Dabei ist vor allem Polkes Anspielung auf die Druckgrafik von Interesse. Die gemalten Bildrasterpunkte kokettieren mit dem Offsetdruck, der als unkünstlerische, rein kommerzielle Drucktechnik galt. Bei Polke sorgen gerade diese gemalten Bildpunkte, die in fast jedem der gezeigten Arbeiten vorhanden sind, für die enorme sinnliche Präsenz. Der malerische Ansatz, die leuchtenden Interferenzfarben und das große Format der Blätter lassen die Ausstellung zu einem besonderen Erlebnis werden.

Neben 40 großen Arbeiten auf Papier werden zwölf Fotografien des jungen Sigmar Polke von der Fotografin Angelika Platen ausgestellt. Sie zeigen einen heiteren, fast übermütigen Polke, dem der Schalk im Nacken sitzt. Die Porträtfotos sind eine Besonderheit, weil es von Polke, der als extrem medienscheu galt, nur wenige Aufnahmen gibt.

Sigmar Polke - Musik ungeklärter Herkunft
12. Dezember 2010 bis 13. März 2011