Move on Asia

Der Titel der Ausstellung "Move on Asia. Videokunst in Asien 2002 bis 2012" verweist auf die zunehmende Bedeutung Asiens in der globalen Gegenwartskunst. Fünfzig Jahre nach der Entstehung der Videokunst gibt die Ausstellung ab Februar 2013 im ZKM Karlsruhe mit mehr als 140 Werken einen Einblick in die jüngsten Entwicklungen dieses Mediums in 13 asiatischen Ländern.

Während im Zuge globaler Umbrüche und ständig aktueller Krisen der Westen in politischer und kultureller Inkompetenz verharrt, findet die in ganz Asien spürbare ökonomische Aufbruchsstimmung ihren Niederschlag nicht zuletzt in einem alle Gattungen umfassenden neuen Diskurs in der asiatischen Gegenwartskunst. Aneignung, Umformung und permanente Neuschöpfung sind die Leitlinien, unter denen sich die neue asiatische Kunst von bisher westlichen Leitbildern befreit und Eigenständigkeit anstrebt. Die alle lokalen Kulturen überschreitende Suche und Positionierung asiatischer KünstlerInnen in einer global vernetzten Welt können als neuer Spielzug in der Auseinandersetzung der Kulturen verstanden werden. Asien ist am Zug – auch auf diesen Aspekt bezieht sich der Titel der Ausstellung.

Technisch erzeugte Abbilder unserer Sehnsucht nach Wirklichkeit haben in Asien – wie überall in der Welt – unüberschaubar vielfältige, neue Wirklichkeiten geschaffen. KünstlerInnen bedienen sich in experimenteller Weise dieser Bilder, der selbstgeschaffenen ebenso wie der vorgefertigten, von spontan mit Mobiltelefonen aufgenommenen Straßenszenen bis zur werbewirksamen Bilderpracht des jeweiligen Staatsfernsehens. In ihren Werken dokumentieren, inszenieren und bearbeiten sie diesen allgegenwärtigen Iconoclash In einer paradoxen Welt gilt ihre Suche einer Neuverortung und Selbstvergewisserung, verbunden mit dem spielerischen oder auch verzweifelten Versuch, Traditionen in die neu entstehende Welt hinüberzuretten und dem herrschenden System die eigene Opposition entgegenzusetzen.

Auf die meisten Länder Asiens trifft zu, dass staatliche Zensur weniger die Produktion von kritischen Arbeiten verhindert, als deren Präsentation im eigenen Land. Nicht nur im kommunistischen Vietnam, auch im kapitalistisch geprägten neuen China und vielen anderen Ländern müssen Ausstellungen zuerst von den Behörden genehmigt werden, die im Übrigen unwidersprochen Zensur über die öffentlichen Medien ausüben. In allen diesen Ländern dominiert die staatliche Version der Geschichte über die konkrete persönliche Erfahrung und Interpretation.

Allgegenwärtige Regulierungsmacht verbindet sich mit vorauseilender Selbstzensur und vielfachen Versuchen, die Rezeption in der westlichen Hemisphäre zu antizipieren. Einen Ausweg aus diesem Dilemma scheinen hochentwickelte künstlerische Fertigkeiten zu bieten, unerwünschte Kritik zwischen den Zeilen und in elektronischen Netzwerken für alle sichtbar zu machen, was wieder im Westen wohlwollend akklamiert wird.

Nachdem Video als Kunstgattung bis zur Jahrhundertwende, selbst mit ihren aus Asien stammenden Vertretern, immer der westlichen Hemisphäre zugeordnet wurde, entwickeln sich in den letzten beiden Jahrzehnten in Asien eigenständige Videokulturen. Während florierende Festivals, Biennalen und Kunstmessen einige ausgewählte asiatische KünstlerInnen einem globalen Publikum bekannt gemacht haben, muss auch die Frage nach den lokalen Kunstszenen und den vor Ort arbeitenden KünstlerInnen gestellt werden, die neben den allseits bekannt gewordenen Kunstheroen nicht einmal Erwähnung finden. Denn während die großen Namen die Phantasien und Preise des globalen Kunstmarkts beflügeln, entwickelt sich der kritisch kreative Diskurs in diesen Ländern weiterhin eher im Untergrund.

Die Auswahl der Werke von "Move on Asia" basiert auf dem gleichnamigen, größten Festival der bewegten, digitalen Bilder in Asien, das seit 2004 von einem Netzwerk von 20 Kuratoren und 40 Videokünstlern ausgerichtet wird. Die in Kooperation mit Alternative Space LOOP in Seoul (Korea) jährlich stattfindende Ausstellung präsentiert Videokunst aus China, Hong Kong, Indien, Indonesien, Japan, Korea, Pakistan, den Philippinen, Singapur, Sri Lanka, Taiwan, Thailand, und Vietnam.

Im Zusammenhang der Ausstellung wird auch die interaktive Installation "Global Fire" des in Paris lebenden chinesischen Künstlers Du Zhenjun zu sehen sein: eine riesige aufgeblasene Kuppel, in der die BesucherInnen mit Feuerzeugen an Wärmesensoren die Flaggen von 200 Ländern in Brand setzen können. Weiterhin ist im PanoramaLabor des ZKM Karlsruhe die interaktive Videoinstallation "40+4. Art is not enough! Not enough!" zu sehen – entstanden in Zusammenarbeit zwischen dem Kurator Davide Quadrio, dem Filmemacher Lothar Spree, der Videokünstlerin Xiaowen Zhu und dem Medienkünstler Bernd Lintermann. Ausgangssituation dieser Arbeit sind Interviews mit 40 Künstlern, die in Shanghai leben und arbeiten.

Move on Asia
Videokunst in Asien 2002 bis 2012
9. Februar bis 4. August 2013