Miniaturmalerei aus der französischen Schweiz im Museum Oskar Reinhart

Die Ausstellung "Au sein du Lac Léman. Miniaturmalerei aus der französischen Schweiz" im Kabinett des Museums Oskar Reinharts zeigt eine Auswahl an Miniaturen aus dem reichen Fundus der Sammlung Emil S. Kern und der Stiftung Jakob Briner, die beide im Museum aufbewahrt sind. Damit wird angeknüpft an die vorausgegangene Miniatur-Ausstellung "The English Face. Porträtminiaturen von den Tudors bis zu Queen Victoria" und die Gastausstellung des Münzkabinetts Winterthur "Johann und Friedrich Aberli. Zwei Winterthurer Medailleure".

Gezeigt werden Künstler, die meist von Genf aus ihr Können in die Kunstzentren Europas und bis in die Neue Welt getragen haben. Im Zentrum stehen Werke von Jean-Étienne Liotard (1702–1789), David Boudon (1748–1816), Louis-Ami Arlaud-Jurine (1751–1829), François Ferrière (1752–1839), Pierre-Louis Bouvier (1765–1836), Jean-François Soiron (1756–1812/13), Firmin Massot (1766–1849) und Salomon-Guillaume Counis (1785 bis 1859).

Auslöser war die Verfolgung der französischen Protestanten im vorrevolutionären Frankreich. Die Unterdrückung der Glaubensausübung durch den katholischen Klerus und den König bewirkte eine Fluchtwelle von hunderttausenden sogenannter Hugenotten in die protestantisch dominierten Gebiete in Europa und Übersee. Als besonders dramatisch für die Geschichte der Miniaturmalerei erwies sich dabei das Edikt von Fontainebleau aus dem Jahr 1685, durch welches Ludwig XIV. von Frankreich das Edikt von Nantes von 1598 widerrufen liess, das den Protestanten Religionsfreiheit zugestanden hatte. Zahlreiche Genfer Miniaturisten stammten von französischen Religionsemigranten ab. Deren Vorfahren kamen oft aus Südfrankreich, einer Region, in der während der Kamisarden-Kriege 1702–1710 besonders brutal gegen die dort weit verbreiteten Protestanten vorgegangen worden war.

Es war der puritanische Reformator Johannes Calvin (1509–1564), der das Genfer Volk anhielt sich einfach zu kleiden, "ohne alles läppisches Gepränge und Haschen nach menschlichen Ruhm". Ganz ohne Schmuck wollten die Bürger nicht sein. Politisch korrekt kauften sie stattdessen Uhren, die von den zu Uhrmachern konvertierten Juwelieren, deren Auftragslage sich sprunghaft verbesserte, höchst schmuckvoll gestaltet wurden. Als Spezialität Genfs hat sich die Emailmalerei, gleichsam als Neben- und Zulieferbetrieb zur Uhrmacherei, und parallel dazu auch die Miniaturmalerei auf höchstem Niveau entwickelt. Genf besass seit dem 17. Jahrhundert in der sogenannten Fabrique eine Infrastruktur, die Goldschmieden, Juwelieren, Uhrmachern und Emailmalern ausserordentliche Entfaltungsmöglichkeiten bot. So zählte man 1789 in Genf 77 Emailmaler, die in den verschiedenen Ateliers arbeiteten.

Wie viele Künstler dieser Zeit standen aber auch die Miniaturisten vor der Wahl, entweder die Heimat zu verlassen und Erfolge zu erringen oder zu Hause zu bleiben und zu darben. Die Künstlerbiographien veranschaulichen dies dramatisch. Destination waren die europäischen Fürstenhöfe, deren Repräsentationsbedürfnissse den perfekten Nährboden für die exklusive und kostspielige Emaillierkunst darstellte.


Au sein du Lac Léman. Miniaturmalerei aus der französischen Schweiz
12. März bis 9. September 2016