Menschen in übermächtiger Natur - Jan Troell und seine Filme

Oft wird das schwedische Kino mit Ingmar Bergman gleichgesetzt. Doch neben diesem dominanten "Jahrhundertregisseur" debütierten in den 1960er Jahren junge Regisseure, die eigene, entschieden andere Wege gingen. Neben Jörn Donner und Bo Widerberg war das vor allem Jan Troell, dem das Filmpodium Zürich ergänzt durch Werke anderer Regisseure dieser "schwedischen Nouvelle Vague", eine Retrospektive widmet.

Der 1931 geborene Troell arbeitete zuerst neun Jahre lang als Lehrer, wurde dann Kameramann und Schnittassistent. Ab 1961 drehte er selbstständig Kurzfilme, 1966 folgte mit "Hier hast du dein Leben" sein erster Langspielfilm, bei dem er wie auch bei seinen späteren Filmen nicht nur für Regie, sondern auch für Kamera und Schnitt verantwortlich zeichnete.

In diesem Anfang des 20. Jahrhunderts spielenden filmischen Entwicklungsroman erzählt Troell vom jungen Olof, der sich zunächst als Flößer und Sägewerksarbeiter durchschlägt, später von einem Kinobesitzer als Plakatkleber angestellt wird. Mit der individuell-psychologischen Entwicklung Olofs geht dabei eine politische einher, die dazu führt, dass er versucht eine Gewerkschaft zu gründen und einen Streik zu organisieren.

Vermutlich autobiographisch geprägt ist der auf 16mm gedrehte "Raus bist du" (1968), in dem Troell von einem Lehrer erzählt, der an der subtilen Tyrannei seiner Schüler zerbricht. Im Gegensatz zu diesem kleinen Film nahm das zweiteilige und insgesamt über fünfstündige Auswandererepos "Emigranten" (1971) und "Das neue Land" (1972) eine lange Drehzeit in Anspruch.

Während sich der erste Teil dieser Geschichte verarmter schwedischer Bauern, die 1848 nach Amerika auswandern, auf die unerträglichen Lebensverhältnisse in Schweden konzentriert, stehen im zweiten die Erlebnisse in den USA im Mittelpunkt. Troell verzichtet auf alles Spektakuläre, widmet sich dafür ausführlich und in ruhigem Erzählrhythmus der Schilderung des Alltags und lässt den Zuschauer aus der Perspektive – und mit ihrer eingeengten Sicht – die Welt und die Veränderungen um sie herum wahrnehmen.

Wie die Protagonisten dieses Films ihr Glück in der Neuen Welt suchten, so wagte auch Troell den Sprung in die USA. Mit Gene Hackman und Liv Ullmann in den Hauptrollen drehte er 1974 "Zandys Braut". Mit dieser in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts spielenden Geschichte um einen rauen Viehzüchter und seine zarte Frau knüpfte er zeitlich, aber auch in der ausführlichen Schilderung der Natur an "Emigranten" und "Das neue Land" an. Die Natur ist auch einer der Protagonisten von "Hurricane" (1979), einem Remake eines John Ford-Films von 1937. In dem auf Samoa 1920 angesiedelten Film wird vor dem Hintergrund eines aufziehenden Hurricanes von der leidenschaftlichen Liebe zwischen einem Häuptling und der Tochter des US-Gouverneurs erzählt.

Nach dem Misserfolg dieses Katastrophen- und Liebesfilms kehrte Troell in seine Heimat zurück und zeichnete 1981 in "Der Flug des Adlers" einen 1897 gescheiterten Versuch den Nordpol mit einem Heißluftballon zu überfliegen filmisch nach. Menschlicher Hybris und Technikgläubigkeit stellt Troell dabei die Schönheit, aber auch die Schrecken einer auf Dauer unüberwindbaren Natur gegenüber. Kritik an der gegenwärtigen schwedischen Gesellschaft übte er in der filmischen Langzeitstudie "Das Märchenland" (1988), in der er erkunden wollte, in welcher Welt seine 1983 geborene Tochter aufwachsen würde. Troell selbst bezeichnete diesen Film später als den für ihn wichtigsten.

Nach "Il Capitano" (1991), der auf einer wahren Begebenheit beruhenden Tragödie um ein junges, gegen die Umwelt revoltierendes Pärchen, das einen Jungen und dessen Eltern tötet, wandte sich Troell wieder der Vergangenheit zu. 1996 entstand das Biopic "Hamsun" über das Leben des umstrittenen norwegischen Schriftstellers und Literaturnobelpreisträgers, 2001 mit "So weiß wie Schnee" die Lebensgeschichte Elsa Anderssons.

Seinen bislang letzten Film, bei dem es sich mit einem Budget von 43 Millionen Euro auch um sein größtes Projekt seit "Die Emigranten" und "Das neue Land" handelt drehte er 2008 mit "Die ewigen Augenblicke der Maria Larsson". Wie "So weiß wie Schnee" spielt auch dieses Drama im Malmö des beginnenden 20. Jahrhunderts. Im Mittelpunkt steht eine in ärmlichen Verhältnissen lebende siebenfache Mutter, die beim Lotto eine Kamera gewinnt, die für sie zum Mittel der Emanzipation wird.