Melancholische Abgesänge auf Einzelgänger: Sam Peckinpah

14 Kinofilme hat Sam Peckinpah in seinen 59 Lebensjahren gedreht – gemeinsam ist vielen von ihnen nicht nur die extreme Darstellung von Gewalt, sondern auch der Konflikt zwischen einem Einzelgänger und einer Gesellschaft, die die individuelle Freiheit immer mehr einschränkt. Das Filmfestival von Locarno widmet dem 1984 verstorbenen US-Regisseur seine heurige Retrospektive.

Der große Showdown am Ende von "The Wild Bunch" (1969), in dem mit Slow-Motion der Untergang nicht nur der Helden, sondern damit auch das Ende einer Epoche – der Epoche der Einzelgänger, an deren Stelle Konzerne und Institutionen mit Lohnempfängern als Gehilfen treten werden – zelebriert und intensiviert wird, gehört ebenso zu den großen Momenten der Filmgeschichte wie das Ballett der Trucks in den Sandwüsten im Südwesten der USA in "Convoy" (1978).

Und in beiden Filmen geht es um den Gegensatz von Individuum und überhand nehmender gesellschaftlicher Kontrolle. Im Western hat der 1925 in Fresno, Kalifornien geborene Sam Peckinpah für dieses Thema eine ideale Spielwiese gefunden, nicht in der Gründerzeit freilich, sondern an der Grenze zum 20. Jahrhundert, als sich die staatliche Autorität und die Kapitalisten auch in den Grenzregionen des Landes durchsetzten.

Alternde Helden stehen folglich auch im Mittelpunkt mehrerer Filme Peckinpahs. Und während die Zeit um diese sich ändert, versuchen sie an ihrem Lebensstil festzuhalten. Nur wer sich anpasst, kann überleben, doch Peckinpahs Sympathie gehört den Scheiternden, denen, die sich nicht verkaufen, gehört Billy the Kid, der schließlich von seinem einstigen Kumpanen Pat Garrett, der inzwischen einen Job als Sheriff angenommen hat, erschossen wird ("Pat Garrett and Billy the Kid", 1973) oder Pike Bishop, der in "The Wild Bunch" untergeht, weil er und seine Bande sich für einen jungen Mexikaner einsetzen.

Wie kein zweiter hat Peckinpah mit seinen Filmen den Begriff des Spätwesterns geprägt. Nach Arbeiten als Fernsehregisseur an Westernserien wie "Rauchende Colts" und "Westlich von Santa Fe" in den 1950er Jahren drehte er 1961 mit "The Deadly Companions" seinen ersten Kinofilm und im folgenden Jahr mit "Ride the High Country" (Sacramento, 1962) auch schon sein erstes Meisterwerk. Zusammen mit John Fords im gleichen Jahr entstandenem "The Man Who Shot Liberty Valence" stellt Peckinpahs Film den Prototypen des Spätwestern dar.

Von Kameramann Lucien Ballard meisterhaft in die Farben des Herbstes getaucht, erzählt Peckinpah von zwei alternden Gunmen – gespielt von den zwei Western-Altstars Joel McCrea und Randolph Scott -, die für eine Bank einen Goldtransport übernehmen. Wehmütig träumen sie von vergangenen Zeiten und geraten in Zweifel, ob sie den Auftrag ausführen oder das Gold beiseite schaffen sollen.

Wie die neue Zeit hereinbricht und über die alte im wahrsten Sinne des Wortes hinwegfährt, macht Peckinpah wohl in der Schlussszene von "The Ballad of Cable Hogue" (1970) am plastischsten deutlich: Der von Jason Robards gespielte Westerner wird von einem Auto überfahren.

Von Einzelkämpfen und gesellschaftlichen Zwängen bis hin zu undurchsichtigen Organisationen, denen der Mensch ausgeliefert ist, erzählt Peckinpah aber auch in seinen in der Gegenwart spielenden Filmen.

Mit dem Acton-Film "The Getaway" (1972), in dem von Bankraub und Flucht eines von Steve McQueen gespielten Gangsters erzählt wird, verlegte dieser "Outlaw in Hollywood" einen typischen Westernplot ebenso in die Gegenwart wie mit dem ins comichafte verzerrten Actionfilm "Convoy". Das Aufbegehren der von Kris Kristofferson angeführten Trucker gegen einen selbstherrlichen Polizisten erinnert auch durch die Situierung im wüstenhaften Südwesten der USA an die Konflikte zwischen kleinen Farmern und allmächtigen Großranchern in den Western.

Und in "Straw Dogs" ("Wer Gewalt sät", 1971) holt ein an sich ruhiger und besonnener, von Dustin Hoffman gespielter Mathematiker zu einem brutalen Gegenschlag aus, als er und seine Frau von den Bewohnern eines englischen Dorfes terrorisiert werden.

Den Vorwurf der Gewaltverherrlichung musste sich Peckinpah freilich für diese meisterhafte Studie über Eskalation von Gewalt ebenso gefallen lassen wie für das Todesballett in "The Wild Bunch". Immer wieder musste er deswegen auch Eingriffe der Produzenten hinnehmen und nur als Ruine ist sein Bürgerkriegs- und Indianerwestern "Major Dundee" ("Sierra Charriba", 1965) erhalten.

Dem Studiozwang versuchte er sich zu entziehen, drehte in Mexiko "Bring Me the Head of Alfredo Garcia" (1974), den er als einzigen ganz als seinen eigenen Film ansah, und in Europa den Kriegsfilm "Cross of Iron – Steiner - Das Eiserne Kreuz" (1977). An die künstlerische Qualität seiner großen Filme konnte der von gesundheitlichen Problemen, Drogen- und Alkoholsucht gezeichnete Regisseur damit aber ebenso wenig anknüpfen wie mit dem Politthriller "The Osterman Weekend" (1983), der sein letzter Film bleiben sollte. Nach einem Schlaganfall starb Peckinpah am 28.12.1984 in Inglewood, Kalifornien.

Trailer zu "The Wild Bunch"