Meine Cousine Rachel

Obwohl der Gutsherr Philip die undurchschaubare Rachel verdächtigt, seinen Cousin ermordet zu haben, verfällt er der stets schwarz gekleideten Frau. Vor der fotogenen Kulisse Cornwalls entwickelt Roger Michell nach Daphne du Mauriers Roman ein prächtig ausgestattetes Psychodrama, bei dem der Zuschauer vor allem dank der von Rachel Weisz wunderbar ambivalent gespielten Protagonistin bis zum Ende hin- und hergerissen ist.

"Ich war ein Waise, aber mein Cousin Ambrose nahm mich auf und war für mich wie ein Bruder." – Mit dem einleitenden Voice-over Philips ist die Perspektive des im Cornwall des frühen 19. Jahrhunderts spielenden Psychodramas vorgegeben. In jeder Szene ist Philip präsent, der Zuschauer ist ständig nur auf seinem Wissensstand, bleibt aber im Gegensatz zum emotionalen Protagonisten distanzierter Beobachter und wird somit auch sein Verhalten kritisch betrachten.

In weniger als einer Minute ist das Kind zum jungen Mann (Sam Claflin) herangewachsen. Zusammen mit Ambrose lebt Philip im großen Gutshof, um den sie sich aber nicht allzu sehr kümmern. Getrennt werden sie, als Ambrose wegen seiner angeschlagenen Gesundheit in sonnigere Gebiete ziehen muss. Bald erhält Philip Briefe, in denen Ambrose von seiner verwitweten Cousine Rachel schwärmt, die er wenig später in Florenz heiratet. Zunehmend düsterer werden diese Nachrichten aber, bis Ambrose in der Ferne stirbt, nicht ohne vorher Cousin Philip gegenüber in Briefen den Verdacht geäußert zu haben, von Rachel vergiftet zu werden.

Was in Italien passierte, erfährt der Zuschauer freilich nur durch diese Briefe an Philip. Geschickt zögert Roger Michell ("Notting Hill", "Hyde Park am Hudson") auch den Auftritt Rachels (Rachel Weisz) hinaus. Voller Hass erwartet Philip ihre Ankunft in England, so ungemütlich wie möglich will er ihr den Aufenthalt machen, während ihn seine Umwelt zu mäßigen versucht.

Rasch drehen sich die Positionen aber um, denn Hals über Kopf verliebt sich der in der Liebe völlig unerfahrene Philip in die einige Jahre ältere, aber bezaubernde Frau, verfällt ihr völlig, während ihn nun die Umwelt zu Besonnenheit drängen will. Spannung entwickelt "Meine Cousine Rachel" dadurch, dass Michell den Zuschauer eine Zwischenposition einnehmen lässt, da er nie Klarheit über den wahren Charakter und die wahren Absichten der ebenso faszinierenden wie geheimnisvollen Frau gewinnt.

Geschickt dreht der 61-jährige Südafrikaner in seiner Verfilmung von Daphne du Mauriers Roman, der schon ein Jahr nach seinem Erscheinen 1952 von Henry Koster mit Richard Burton und Olivia de Havilland erstmals verfilmt wurde, so an der Spannungskurve. Bald erscheinen die Verdächtigungen nämlich als unbegründet und Rachel als herzensgute liebenswürdige Frau, bald als durchtriebenes Luder, das nur hinter dem Geld her ist, dann wieder als Frau, die nach Unabhängigkeit strebt und sich den Besitzansprüchen Philips zu entziehen versucht.

Während Sam Claflin Philip weitgehend als unerfahrenen impulsiven Tor spielt, der sich ganz von seinen Emotionen treiben lässt, legt Rachel Weisz ihre Rachel als wunderbar ambivalente und facettenreiche Frau an. Zunehmend düstere Züge nimmt sie an, nachdem sie zunächst die Sympathien aller erobert hat, bleibt aber bis zum Ende undurchschaubar.

Mag Mitchell es im Finale mit den emotionalen Twists auch etwas übertreiben, so legt er doch geschickt immer wieder mit dem Auffinden von Nachrichten des verstorbenen Ambrose, selbst gemischtem Tee Rachels und anschließendem Kopfweh Philips ebenso wie mit ihren Treffen mit einem Italiener Spuren, die Verdacht schüren. Statt den Film aber konsequent in diese Richtung weiter zu treiben und den Zuschauer zunehmend Klarheit gewinnen zu lassen, entkräftet Michell vielfach wenig später den Argwohn schon wieder.

Bis zum Ende in der Schwebe und damit spannend bleibt so "Meine Cousine Rachel" dank dieser schillernden stets in tiefes Schwarz gekleideten und zudem noch schwarzhaarigen Frauenfigur. Sie ist die Triebfeder und das dunkle Herz des Films, kaum entwickelt werden dagegen die Nebenfiguren. Konventionell bleibt auch abgesehen von dieser Figurenzeichnung und dem großartigen Spiel von Rachel Weisz auch die Inszenierung.

Michell erzählt rund und flüssig, lässt seinen Schauspielern Raum und bietet damit vor der von Kameramann Mike Eleys trefflich eingefangenen Kulisse Cornwalls mit ihren grünen Wiesen und der Steilküste sowie prächtiger Ausstattung und atmosphärischen Innenszenen ebenso gediegene wie spannende Unterhaltung. Nicht geschadet hätte allerdings etwas mehr Zurückhaltung bei der musikalischen Untermalung.

Läuft derzeit im Cinema Dornbirn (Deutsche Fassung)
TaSKino Feldkirch im Kino Rio: 26.9. - 30.9. (engl. O.m.U.)

Trailer zu "Meine Cousine Rachel"