McCourt was here

(Hall in Tirol) Das Haller Sprachsalz-Literaturfestival fand heuer zum 5. Mal statt und ist wundersam gewachsen. In den Innen- und Außenräumen der Architekten-Trios Henke-Schreieck-Welzenbacher tummelten sich wochenends illustre Autoren und ihr buntes Publikum.

"Are there any teachers?" Frank McCourt lässt seinen dunklen Sonnenbrillenblick solidarisch durchs Publikum schweifen: Lehrer sind da, aber doch nicht zu viele. Das Gros jenes Publikums, das sich auf der Terasse des Parkhotel/Welzenbacher samstags gegen eins eingefunden hat – bei unverschämtem Sonnenschein unter Sonnensegel-Schirmen auf bequemem Korbmobiliar flätzend – ist erfrischend jung und alt und mittel, gut durchmischt, voll interessiert und ungeheuer zahlreich. Bereits die Eröffnungslesung, die Raoul Schrott freitags um zwei bestritt, war rammelvoll. Literatur hat in Hall in Tirol Mitte September auch einen Coolness- und Glamour-Faktor. Das mag schon daran liegen, dass hier alles so international ist. Tatsächlich kann man Englisch an allen Ecken und Enden hören, hier Französisch, dort Serbisch, Süd- und Nordtirolerisch überall, Hochdeutsches und Russisches, letzteres sogar gesungen. Woher wollte man wissen, ob die oder der man gerade gegenübersteht, nicht ein/e superhochkarätige/r Autor/in ist? Ein/e Verleger/in vielleicht oder ein Feuilletonfritze? Die nationale Presse von Rang jedenfalls ist vollzählig und redaktionell vertreten, außerdem Schweizer und bundesdeutsche Blätter. Es ist ein bisschen wie Klein-Frankfurt oder Klein-Leipzig – oder aber eben doch ganz anders.

"Be friendly to your public!" McCourts Frau hat ihren Mann angewiesen und der hält sich dran. Wobei: Freundlichkeit, das ist bei dieser Lesung eine rasante Vortragsdramaturgie, die sich der Teacher Man aus Irland mit dem Schauspieler und Regisseur Thomas Gassner liefert. Gebannt folgt das Publikum McCourts abgebrühter Schulpädagogik, zwei Minuten auf Englisch, zweieinhalb Minuten auf Deutsch und wieder zurück, ein hübscher Doppelpass. Anders beim Serben Bora Cosic. Der liest Passagen aus seinem Reisebericht durch Österreich, Slowenien, Kroatien, Bosnien und Serbien bloß an, der Radio Man, Schauspieler und mittlerweile Filmproduzent Ernst Gossner führt auf Deutsch aus. Wir befinden uns jetzt im Nischenzimmer des Parkhotels, im Hintergrund kragen die Gipfel der Nordkette in die Fensterrahmen, Autor und Interpret lesen diagonal zum Publikum, das in intimer Nähe hockt. Zeit für Fragen, zu Handke ("ein Fall für die Psychiatrie"), Europa ("die Osteuropäer sind ohnedies bereits Europäer"), Diktatoren ("halten gegen sie gerichtete Literatur für so harmlos, dass sie sie nicht einmal verbieten").

"Thank you for being invited!" McCourt hat seinen Job gut gemacht, bedankt sich noch extra bei den Organisatoren und geht Bücher signieren. Die Lesetrauben hängen inzwischen bei Ilija "Der Weltensammler" Trojanow und bis Sonntagnachmittag wird das so weitergehen. Eine gute Stimmung liegt in der Luft, eine Leichtigkeit, spätsommerlich oder frühherbstlich je nachdem, ein höchst vertrautes Einvernehmen zwischen jenen Welt- und Wortschöpfern, den Autoren, und ihren Lesern (oder eigentlich Lauschern). Erhellende Momente gibt es für beide. Etwa wenn der Neue Frankfurter Eckhard Henscheid den Einheimischen den göttlichen Satiriker Otto Grünmandl ins Gedächtnis ruft. Und so weiter. Fast möchte man übersehen, dass dieses herrlich nutzlose Treiben, welches Literatur hier ist, bloß deshalb so unbeschwert abläuft, weil es völlig geräuschlos in die Zahnräder eines überzeugenden Konzeptes und einer angenehmen Organisiertheit greift. Haupttriebfeder des Werks bleibt die Begeisterung der Veranstalter für die Sache, ein Engagement, das über Jahre gepflegt wird und leicht über die drei Tage eines Festivals trägt. Sprachsalz ist heuer nochmals gewachsen, muss man feststellen, und das ist ein schönes, völlig unökonomisches Wunder. Denn es ist ja keinesfalls so, dass man nur auf die großen Namen setzt. Nein, es gibt genug Unbekanntes und Unbekannte zu entdecken. Aber es ist natürlich trotzdem bemerkenswert, dass McCourt hier war. (bs)