Max-Ophüls-Preis Saarbrücken 2015

28. Januar 2015
Bildteil

Filme über Jugendgewalt und Gewalt an Jugendlichen gewannen die wichtigsten Preise des diesjährigen Max-Ophüls-Festival, dem wichtigsten Schauplatz für junge FilmemacherInnen aus dem deutschsprachigen Raum. Der begehrte Max-Ophüls-Preis ging an den Schweizer Film "Chrieg", der des Saarländischen Ministerpräsidenten an "Driften", ebenfalls aus der Schweiz. Den Publikums- und Jugendjurypreis erhielt der deutsche Beitrag "Freistatt". Den Dokumentafilmpreis erhielt "Beyond Punishment", der sich der Täter-Opfer-Versöhnung widmete. Österreich ging leer aus, obwohl "Ma Folie" durchaus auch preiswürdig gewesen wäre.

Das überschaubare Festival an der Saar freut sich über ungebrochenen Zulauf. Knallvolle Kinos, Schlangen an den Kartenschaltern und auch an mehreren Terminen ausverkaufte Filme wie "Lichtgestalten" zeugen vom pulsierenden Leben dieses Nachwuchsfilmwettbewerbs. Aus 150 Einreichungen wurden 16 Langfilme für den Wettbewerb um den Max-Ophüls-Preis ausgewählt – elf davon waren Weltpremieren.

Es gab mindestens zwei gelungene Filme, die als "scripted Improvisation" in wenigen Stunden oder Tagen abgedreht waren und als eine Art verfilmtes Stehgreiftheater nur eine Situation vorgegeben hatten und trotzdem als Komödien bestens funktionierten ("Ein Endspiel", "Das Floß"), aber auch andere, bei denen sieben oder sogar zehn Jahre Zeit zwischen Idee und Fertigstellung lagen ("Die Verfehlung", "Ma Folie", "Freistatt") und bei denen jede Einstellung und jedes Wort durchdacht und geplant waren.

Es gab gute und schlechte Dokumentarfilme über die ägyptische Revolution. Und da mal junge RegisseurInnen (es dürfen nur die ersten drei Filme eines Autors gezeigt werden) vor Energie und Emotion strotzen, sind auch viele Filme entsprechend kraftvoll und hochemotional, wehren sich gegen die (ungerechte) Erziehung und Ignoranz der Alten gegenüber der Jugend. Ungestüme Liebesakte und Rebellion statt Prostataprobleme also.

Als Grundthema, so der Saarländische Rundfunk, ist bei diesem Festival "der blauen Herzen" die Jugendgewalt, oft in Verbindung mit der Schuld der Eltern. Den Alten fehlten die moralischen Grundlagen. Junge Menschen hätten es schwer, mit der grenzenlosen Freiheit von heute umzugehen.

Langspielfilme im Wettbewerb

Der Siegerfilm "Chrieg" von Simon Jaquemet, wie auch der Publikumsliebling "Freistatt" von Marc Brummund handeln von Jugendlichen, die in Besserungsanstalten geschickt werden, dort Unmenschliches erleben müssen und danach für immer traumatisiert sind. In "Chrieg" ist es eine "Männlichkeitserfahrung" auf einer Alphütte, die den Protagonisten erst recht gewalttätig und fast zum Mörder seines Vaters macht. "Freistatt" hingegen ist die an Originalschauplätzen gedrehte wahre Geschichte einer äußerst harten Diakonie-Einrichtung, die nach Muster eines KZ geführt wurde. Aber auch "Driften" von Karim Patwa handelt von einem Jugendlichen, der vier Jahre Knast hinter sich gebracht hat, weil er beim Autorasen ein Kind tötete, die Sucht nach mehr Geschwindigkeit hat er während des Strafvollzugs allerdings nicht verloren.

Auch um Strafvollzug im weiteren Sinne geht es im äußerst eindrücklichen Wettbewerbsbeitrag "Die Verfehlung" von Gerd Schneider. Ein katholischer Priester wird von der Messe weg verhaftet, da er sich an einem Jungen vergangen haben soll. Er streitet es offiziell ab, gesteht es jedoch seinem Priesterfreund, der gerade Häftlingsseelsorger in jener JVA geworden ist, in der er in U-Haft sitzt. Dieser stößt auf einen weiteren Fall und gerät in arge Gewissensbisse, ob er die von der Kirche geplante Vertuschung mittragen soll oder dem Staatsanwalt die Wahrheit sagen soll.

Österreichs stärkster Beitrag war ohne Zweifel "Ma Folie" von Andrina Mračnikar, eine Liebesgeschichte, die wegen Eifersucht immer mehr eskaliert und uns schließlich an dem, was wir sehen, zweifeln lässt. Weniger überzeugt hat "Kafka´s der Bau" von Jochen Alexander Freydank. Axel Prahl murmelt Kafka Zitate vor sich hin und wird immer paranoider, während der imposante rote Neubau immer mehr zerfällt und von Obdachlosen und Ratten bewohnt wird. Nichts, was nicht erwartet worden wären, trotz mancher kräftiger Bilder.

Eher nachvollziehbar war das Leiden von Alice im Schweizer Beitrag "Unter der Haut" von Claudia Lorenz. Nach 18 Jahren scheinbar perfekter Ehe mit lieben Kinder geht ihr Mann Frank fremd, allerdings mit einem Mann. Alle möglichen Reaktionen von Aggression bis Kampf, Resignation bis Anpassung werden von Alice durchgespielt. "Wir Monster" von Sebastian Ko zeigt die Folgen einer Scheidung drastisch auf. Um die leiblichen Eltern wieder zusammen zu schweißen erfindet die 14-jährige Sarah den Mord an ihrer besten Freundin und macht ihre Eltern zu Mördern.

Dokumentarfilme im Wettbewerb

Der Gewinner hieß "Beyond Punishment" von Hubertus Siegert. An Hand von drei Bespielen in den USA, in Deutschland und in Norwegen wird das Konzept der "restaurative justice" erläutert. Dabei wird ein Dialog zwischen hinterbliebenen Opfern und den Mördern versucht. Allerdings dürfen die Opfer nicht mit den Tätern ihrer Angehörigen zusammenkommen, sondern mit anderen Tätern. Die enormen Schwierigkeiten, aber auch Chancen dieses Konzepts wurden ehrlich erörtert.

"Attention – A Life in Extremes" des Österreichers Sascha Köllnreitner ist der erste europäische Dokumentarfilm mit dem neuen "Dolby Atmos" – Tonverfahren, das mit sehr vielen Tonkanälen nicht nur rechts-links-hinten sondern auch oben-unten Raumklang-Effekte erlaubt. Die Extremsportler waren Wingsuits-Klippenspringer, Apnoe-Taucher und der österreichische Extrem-Radfahrer Gerhard Gulewicz, der schon mehrmals das Race across America gefahren ist. Dabei müssen fast 5000 km müssen in neun Tagen zurückgelegt werden, was kaum mehr als eine Stunde Schlaf pro Tag bedeutet. Auch er fällt durch seine Endomorhine in einen Rauschzustand, die ihn fast umnachtet.

Über die ägyptische Revolution gab es den wirren Beitrag "Abdo" von Jakob Gross, der eigentlich Ethnologe ist und einem jungen "Revolutionär" eine Kamera mitgab, um am Tahir-Platz möglichst Nahe an das Geschehen heran zu kommen. Abgesehen davon, dass dieser damit nicht umgehen konnte, bleibt unklar, wofür oder wogegen er wirklich kämpfte. Wesentlich subtiler und kunstvoller war da "City of Sounds" von Janek Romero. Er begleitete den deutschen Oud-Virtuosen Roman Bunka zu seinen ägyptischen Musikerkollegen und Sängerinnen, wobei er eine Art Mediator zwischen Orient und Okzident spielte. In den Texten der Lieder wurden die Anliegen des Volkes poetisch ausgedrückt.

"Mission Control Texas" von Ralf Bücheler zeigt die Auseinandersetzung von Atheisten im Bürgerkanal mit den gläubigen Christen des "church belt" um Austin, Texas. Beide Seiten reiben sich in der Fernsehshow und anderen Veranstaltungen aneinander und kommen ausgewogen ins Bild. Norbert Fink