Matters of Time. Artists from Finland

Anlässlich des Ehrengastauftritts von Finnland zur Frankfurter Buchmesse 2014 zeigt der Frankfurter Kunstverein die Ausstellung "Matters of Time. Artists from Finland". Die Gruppenausstellung versammelt Arbeiten von acht Künstlern und Künstlerduos aus Finnland und gibt Einblicke in die Vielfalt der Ausdrucksformen der zeitgenössischen finnischen Kunst. Unter Verwendung verschiedener Medien wie zum Beispiel Fotografie, Video, Skulptur, Sound und Computeranimation beschäftigen sich die ausgestellten Werke mit Fragen nach dem Wesen der Zeit und mit Metaphern der Vergänglichkeit.

"Matters of Time" nimmt dabei seinen Ausgangspunkt im deleuzianischen Konzept vom "Werden": Der stete Zeitfluss eröffnet Potentiale, um die im Werden begriffene Person mit verschiedenen Modalitäten des Lebens und Seins experimentieren zu lassen. In Finnland ist der Lebensrhythmus wie in kaum einem anderen nordischen Land eng mit der Natur und den wechselnden Lichtverhältnissen verbunden: Das aktive Leben draußen während der weißen Nächte im Sommer wechselt sich ab mit dem zurückgezogenen, verlangsamten Leben drinnen im dunklen Winter. So kann der Zeitfluss in diesen nördlichen Breiten auch abwechselnd als schnell und sehr langsam wahrgenommen werden. Die beteiligten Künstler nähern sich diesem Spannungsfeld auf unterschiedliche Weise: mit der sinnlichen Erfahrbarmachung von Innen und Außen, mit dem Experimentieren von Raum und Zeit durch Körper, Sound und Sprache, oder auch mit Aktionsskripten als Ergebnis gesellschaftspolitischer Gemeinschaftsprojekte.

Die Auseinandersetzung mit den Werken der Ausstellung konfrontiert den Betrachter mit seiner eigenen Raum-Zeit-Wahrnehmung und schärft sein Bewusstsein für das Verrinnen der Zeit. So findet sich der Betrachter von Minna Långströms Videoinstallation "Thin Membrane" (2013) zwischen Innen und Außen gefangen: Durch ein Fenster schaut er in das Innere eines Hauses auf die Szene der Zusammenkunft zweier Paare beim gemütlichen Abendessen. Kurze Stromausfälle, die das Fenster verdunkeln und die Wahrnehmung abrupt auf den Wind und Geräusche außerhalb des Hauses lenken, werfen den Beobachter "aus dem Bild" und auf seine eigenen Erfahrungen von Raum und Zeit zurück. Die Beziehung zwischen Innen- und Außenraum und den Fluss der Zeit verdeutlicht auch Salla Myllylä mit ihrer Videoinstallation "Departure" (2013). Sie zeigt das langsame Auslaufen eines Passagierschiffes hinter vier von sachte wehenden Vorhängen verdeckten Fenstern.

Mit der Suche nach einem Platz in dieser Welt und der Beziehung, die ein Individuum zu einem Kollektiv herstellt, beschäftigen sich dagegen Mikko Kuorinki und das Künstlerduo IC-98 (Visa Suonpää & Patrik Söderlund). Während Kuorinki seinen eigenen Körper in Beziehung zu Objekt, Raum und Sprache setzt, nähert sich IC-98 in seinen Projekten auf gesellschaftspolitischer Ebene Themen wie sozialutopischer Architektur und der Untersuchung von Zeit und Geschichte(n) zwischen den Dingen. Die Videoinstallation "Arkhipelagos (Navigating the Tides of Time)" (2013) ruft eine düstere Szenerie kurz nach einer Katastrophe auf: Überlebende navigieren orientierungslos in stürmischen Gewässern, wo keine geografischen Bezugspunkte mehr zu existieren scheinen und nur noch Zeit und Wetter herrschen.

In der raumgreifenden Video-Animation "A View From The Other Side" (2011) porträtiert das Duo indes die Geschichte eines umstrittenen öffentlichen Gebäudes in Turku, Finnland. Erbaut im frühen 19. Jahrhundert nach dem Vorbild der antiken griechischen Säulenhalle Stoa, übernahm es im Laufe der Zeit viele gesellschaftliche Funktionen und war einige Zeit auch dem Verfall ausgesetzt. Ausgehend von dieser wechselhaften Geschichte und der Idee der Stoa als beliebten öffentlichen Treffpunkt im antiken Athen, produziert IC-98 ein virtuelles Geisterbild vom zeitlichen Wandel des Gebäudes, das den Betrachter in einer 70-Minuten-Animation in seinen Bann schlägt.

Unmittelbare und sehr intensive Erlebnisse von Zeit und Raum schaffen auch die Soundinstallationen der beiden Künstlerduos Pink Twins (Juha & Vesa Vehviläinen) und Tommi Grönlund & Petteri Nisunen. Die Computer-Animationen von Pink Twins, ein Duo aus bildenden Künstlern und elektronischen Musikern, konzentrieren sich auf die Funktionalität der menschlichen Wahrnehmung. Fragmente von Bildern und Klängen, denen wir in unserem täglichen Leben begegnen, werden in kleine Partikel aufgebrochen und dann wieder in kühnen chaotischen Konstruktionen vereint. Durch die Mischung aus Sound- und Videoprojektion entsteht eine hyperaktive, ständig wechselnde raumzeitliche Erfahrung.

Das bekannte Künstlerduo Tommi Grönlund & Petteri Nisunen generiert seine Raumkompositionen mithilfe kinetischer Installationen aus Licht, Ton, Magnetismus und anderen physikalischen Phänomenen. Mit ihren Mixed-Media-Stücken erkunden die beiden Künstler mit einem relativ niedrigen technologischen Aufwand und auf sehr einfache Weise Klang und Raum. Die kinetische Skulptur "Unstable Matter" (2013) beispielsweise, bei der sich tausende von winzigen Metallkugeln auf einer Schwenktischplatte immerfort und ozeangleich von einer Seite auf die andere bewegen, verwischt die Grenze zwischen Welle und Teilchen, Masse und Individuum und bringt die Wahrnehmung von Klang, Form und Bewegung in einen einfachen Zusammenhang.


Matters of Time. Artists from Finland
25. Juli bis 12. Oktober 2014