Marxismus zur Weihnachtszeit

Zwischen Weihnachten und Neujahr präsentiert das Filmmuseum traditionsgemäß ausgewählte Filme mit den Marx Brothers – seit einigen Jahren in Kombination mit Filmen anderer Künstler. Im heurigen Programm bilden die großen Komiker des frühen Tonfilms das Gegenüber der Gebrüder Marx. Der Zeitraum: 1930 bis 1941, die Namen: W.C. Fields, Stan Laurel und Oliver Hardy, Karl Valentin und Mae West. Und: ein Werk, das diese Ära krönt – Hellzapoppin" von H.C. Potter, die beste, rasendste, einfallsreichste, bis heute unübertroffene Selbstparodie der Hollywood-Filmindustrie.

Mo 29.12.08, 20.30 Uhr
A Day at the Races (1937)
Eine Farce, des öfteren ihren Kino-Melodram-Pelzmantel öffnend, um Geld, Business, Sport und Ärzteschaft nacktem Hohn zu überantworten. Groucho als Veterinär Hugo Z. Hackenbusch oder: das Ethos der Medizin unter "marxistischer" Lupe. Grouchos Patientin Margaret Dumont (deren einzige Krankheit darin besteht, vermögend zu sein): Sie habe nicht gewusst, dass irgendetwas an ihr nicht in Ordnung sei - bis sie ihn traf. H.T.

So 28.12.08, 20.30 Uhr
A Night at the Opera (1935)
MGM versuchte den anarchischen Reiz der Marx Brothers zu ­mildern, indem deren Komik publikumsträchtige Romanzen ­bei­gemengt wurden: ein Unterfangen, das den unerhörten Humor der Brüder nur sehr langsam auszuhöhlen vermochte - A Night at the Opera, das erste und erfolgreichste MGM-Marx-Werk, ist laut Groucho "der beste unserer Filme" und hat - nicht nur wegen der unsterblichen Kabinen-Szene - Chaplin und Brecht, Ionesco und Dalí als vorbehaltlose Fans. Guy Alombert über die Marx Brothers: "Unerbittliche Poesie, fast ebenso rabiater Frauenhass, unersättliche Geldgier und ein dämonischer Hass auf die Dummheit." C.H

Fr 26.12.08, 18.30 Uhr
Animal Crackers (1930)
Antonin Artaud über die "ganz besondere Magie" dieses Films: "Wenn es einen charakteristischen Zustand, einen erkennbaren poetischen Grad des Geistes gibt, der sich Surrealismus nennen darf, so gehört Animal Crackers voll und ganz dazu." Ein monologisches Demonstrationszitat, von Groucho als mit dem hinreißenden Song "Hooray for Captain Spaulding" gefeierter, nicht ganz glaubwürdiger Großwildjäger serviert: "One morning I shot an elephant in my pyjamas. How he got in my pyjamas, I don’t know." C.H.

Sa 27.12.08, 20.30 Uhr
Duck Soup (1933)
Die Marx Brothers im Krieg, der in Duck Soup nur logische Extension des allumfassenden Wahnsinns ist und den am Ende zwingend ­ derjenige verliert, der gerade am peinlichsten dasteht. Ein zeitloses Meisterwerk. Hito Steyerl: "Eine alternative marxistische Theorie existiert schon lange, und zwar genau seit 1933. Sie wird nur gewöhnlich weder als marxistisch noch als Theorie verstanden. Die Rede ist von Duck Soup. Obwohl jeder der Beteiligten später vehement abstritt, dass dieser Film auch nur das Geringste mit Politik zu tun habe, kann er nicht nur als Theorie der Polarisierung verstanden werden, sondern als apokalyptische Beschreibung jenes massiven Terrors, den die liberale Demokratie als ihr Abbild im Spiegel entdeckt."

Di 30.12.08, 18.30 Uhr
The Big Store (1941)
The Big Store ist der letzte Marx-Film mit Margaret Dumont, die hier einige der exquisitesten Groucho-Beleidigungszeremonien erdulden muss: "Martha, dear, there are many bonds that will hold us together through eternity - your government bonds, your savings bonds, your liberty bonds." Wie ein Eumenidenschwarm fallen die Marx Brothers nicht nur über das Kaufhaus, sondern über die Logik, Übereinkunft und vernünftige Auslegung der Welt her: Umwertung aller Werte (das leidenschaftlichst gerittene der Marx-Steckenpferde). Raymond Durgnat: "1941 sah Winston Churchill gerade The Big Store, als man ihm mitteilte, Rudolf Hess sei in Schottland bruchgelandet, um Hitlers Friedensangebot zu überbringen. Der Premierminister winkte ab und genoss seine 90-Minuten-Marx-Brothers-Verrücktheit, ehe er sich der Nachricht widmete." H.T.


Marx & Co.
26. bis 30. Dezember 2008