Manuel Schmalstieg und Matthias Bosshart im Kunstraum Kreuzlingen

Seit Ende der 80er Jahre montiert Matthias Bosshart Filmmaterial direkt auf Verbundplatten. Diese Filmstreifen haben verschiedene Formate. Sie sind 35 mm-, 16 mm-, 9,5 mm- oder 8 mm breit. Dabei verwendet er kommerzielle 35 mm Spielfilme und Werbefilme der "Jetztzeit", wie auch z.B. 9,5 mm Amateurfilme aus den 30er Jahren. Bei grossen Tafeln benutzt er vor allem die breiten 35 mm Filmstreifen, bei kleineren, naturgemäss, 16 mm, 9,5 mm und 8 mm Material.

Nach der Filmmontage werden die Tafeln mit Farbe bearbeitet, welche dabei unter, neben oder über den Filmstreifen zu liegen kommt. Die geschnittenen Filmstreifen sind meist in einer geometrischen Anordnung angebracht, die sich oft auch wiederholt. Diese mathematisch gerechneten Strukturen wirken manchmal kaleidoskopartig oder auch sehr streng, archaisch, fast zeitlos. Durch die Verwendung des Filmmaterials und durch dessen optische Erscheinung, die oft auch irritiert, widerspiegeln die Tafeln ein gegenwärtiges Raum- und Zeitgefühl.

Seit den frühen 70er Jahren gilt das Interesse von Matthias Bosshart dem experimentellen oder auch unabhängig genannten Film. Der experimentelle Film ist in seiner Form und Aussage näher an der Bildtafel, als am Geschichten erzählenden Spielfilm. Ein experimenteller Film ist für Bosshart vielmehr eine Bildtafel, die sich bewegt. Deshalb werden auch fast alle seine Filme als Endlosfilme projiziert. Für die meisten Betrachter/innen von experimentellen Filmstücken bedeutet "Film" allerdings immer noch, dass so etwas wie eine Story dahinter stecken muss. Da Bosshart oft Teile von schon bestehenden Spielfilmen oder Dokumentarfilmen verwendet (found footage), sind mindestens kleine Episoden von Geschichten darin enthalten. Diese "Bildausschnitte" sind meistens kurz und eher als Metapher für das "grosse Kino" zu verstehen. Die Endlosloop-Filme sind ähnlich aufgebaut wie die Filmtafeln: sie folgen einer vorher bestimmten, mathematischen Struktur.

Manuel Schmalstieg im Tiefparterre
Manuel Schmalstieg aka Low Rez aka n3krozoft bearbeitet die Schnittstelle zwischen Video-, Performance und Sofware-Art und erschliesst neue kreative Freiräume im Zwischenbereich von Fiktion und Realität. In der Videoarbeit Solaris [1972 - 2010] stellt Manuel Schmalstieg eine Sequenz des gleichnamigen Films von Andrej Tarkowski nach. Was im Original futuristisch wirkt ist in Tat und Wahrheit in Tokio gedreht. Manuel Schmalstieg hat den Strassenzug auf Google Streeview ausfindig gemacht und mit Screenshots dieser Bilder die Originalszene nachgestellt und animiert.

Manuel Schmalstieg / Matthias Bosshart
29. Mai bis 3. Juli 2011