Man darf auch weben was man nicht sieht

Das Kirchner Museum Davos zeigt in diesem Winter eines der aufregendsten Beispiele künstlerischer Zusammenarbeit im 20. Jahrhundert: In der Ausstellung "Man darf auch weben was man nicht sieht" sind vom 2. Dezember 07 bis 6. April 08 die Teppiche von Dieter Roth und Ingrid Wiener zu sehen.

Das Werk von Dieter Roth, einem der großen Universalkünstler der Moderne, ist vielfältig und vereint auf souveräne Weise Literatur, Zeichnung, Skulptur, Druckgraphik, Buchkunst und Neue Medien. Zwischen 1974 und 1997 entstanden in Zusammenarbeit mit der österreichischen Künstlerin Ingrid Wiener – und anfänglich mit Valie Export – auch fünf gewebte Teppiche.

Bislang wurde diese aussergewöhnliche Kooperation nie gesondert dargestellt und gewürdigt. Das Kirchner Museum Davos führt nun erstmals die Teppiche zusammen und zeigt auch die unterschiedlichen Materialien, die untrennbar zu dem fast 25 Jahre überspannenden Projekt gehören: Zeichnungen, Fotografien, Videobotschaften, den "flachen Abfall" (wie Wollreste, Quittungen und Verpackungsmaterial) sowie die lebendige Korrespondenz zwischen Ingrid Wiener und Dieter Roth über Ländergrenzen hinweg.

Die Wandteppiche tragen unterschiedliche Bedeutungen in sich: Sie sind Konzept und Umsetzung, Idee und Interpretation, sie umarmen das persönliche Leben und die Gegenstände des Alltags, machen Kommunikation anschaulich, sind Erzählungen und gewebte Zeit, Zeugen eines künstlerischen Prozesses und Sinnbilder gemeinschaftlicher Kreativität. Dieter Roths Motto "Man darf auch weben was man nicht sieht" formuliert dabei die Freiheit und Offenheit, die das gemeinsame Schaffen immer neu befeuerte und allen Hindernissen zum Trotz so lange lebendig hielt.

Die Ausstellung wurde ermöglicht durch grosszügige Leihgaben aus öffentlichen und privaten Sammlungen und ist anschliessend in der Neuen Galerie Graz zu sehen. Es erscheint ein umfangreiches Buch (deutsch/englisch) im Kerber Verlag, Bielefeld, mit Textbeiträgen und zahlreichen Abbildungen in Farbe.

Zeitgleich zeigt das Kirchner Museum Davos Werke aus der eigenen Sammlung: Wie Dieter Roth gilt Ernst Ludwig Kirchner als einer der vielseitigsten Künstler des 20. Jahrhunderts. Unter anderem realisierte er mit der Weberin Lise Gujer und anderen Davoser Frauen textile Arbeiten nach seinen Entwürfen. In Gegenüberstellung zu den Roth-Wiener-Teppichen ergibt sich nicht zuletzt die Frage nach Modellen künstlerischer Zusammenarbeit und dem spannungsreichen und vielfältigen Verhältnis von Konzept und Interpretation.


"Man darf auch weben was man nicht sieht"
Die Teppiche von Dieter Roth und Ingrid Wiener
2. Dezember 2007 bis 6. April 2008