Luxus pur. Lack aus Ostasien

Im Frühjahr 2019 präsentiert sich die materielle Kultur Chinas, Koreas und Japans in den Ostasien-Räumen des MKG von ihrer luxuriösen Seite – der Lackkunst. Brillantes Schwarz, intensives Rot, schimmerndes Gold und geheimnisvolles Perlmutt dominieren die Lackwaren, die alle Lebensbereiche der gesellschaftlichen Elite wie Essen, Schreiben, Reisen, Musik, Schmuck, und Teekultur bereichern. Seit dem späten 16. Jahrhundert wurden Lackwaren auch an den europäischen Höfen bewundert, gesammelt und imitiert.

Gründungsdirektor Justus Brinckmann (1843–1915) legte die Sammlung des MKG in der Hochphase des Japonismus um 1900 an. Anhand wertvoller Schalen, Döschen für Räucherwerk, Kämme und Schmuck, Kästen für Kosmetik, Schreibutensilien und Spiele sowie Stapelkästen für Esswaren gibt die Ausstellung Einblicke in die Erwerbungspolitik des MKG und in die internationale Sammlerszene von Ostasiatika zwischen der Weltausstellung 1873 in Wien und dem Beginn des Ersten Weltkriegs 1914. Neben wesentlichen Objektgruppen stellt die Ausstellung wichtige Lacktechniken, charakteristische Motive, einzelne Meister und ihre Malereien und Farbholzschnitte sowie japanische Blockdruckbücher vor. Moderne und zeitgenössische Positionen ergänzen die Präsentation der historischen Bestände und zeigen Wechselwirkungen zwischen Lack-Ästhetik und europäischem Design auf. Die didaktisch und sammlungsgeschichtlich aufbereitete Ausstellung möchte die Besucher für die Lackkunst Ostasiens begeistern, leistet aber gleichermaßen einen Beitrag zur Provenienz- und Marktforschung in der ostasiatischen Kunstgeschichte.

In den thematisch gestalteten Räumen zur Kunst Koreas, zum Buddhismus, zum japanischen Nō-Theaters und zur Samurai-Kultur werden mit Lack gestaltete Objekte im jeweiligen Kontext hervorgehoben. Besonderes Augenmerk liegt auf Gegenständen, die in der japanischen Teekultur Anwendung finden. Sie sind umfassend in unmittelbarer Nähe des Teehaus Shōseian (Hütte der reinen Kiefer) präsentiert, in dem wöchentlich Unterricht im japanischen Teeweg (chadō) und monatlich öffentliche Teevorführungen stattfinden. Im Raum für ostasiatische Bildkulturen stellt die Ausstellung Shibata Zeshin (1807–1891) als einem der wichtigsten japanischen Lackkünstler des 19. Jahrhunderts vor. Zeshin war nicht nur einer der einflussreichsten Meister seiner Zeit, sondern auch als Maler und Entwerfer von Holzschnitten erfolgreich. Neben Malereien und Farbholzschnitten sind hier einzelne Lacke von Zeshin und seines Umkreises zu sehen.

Ein weiterer Schwerpunkt der Ausstellung beleuchtet die verschiedenen Funktionen und Gebrauchsweisen der ostasiatischen Lackkunst. Schreibkästen, vor allem im Stil des Hon’ami Kōetsu (1558–1637) sowie des Ogata Kōrin (1658–1716) nehmen in der Sammlung eine herausragende Rolle ein. Sie stammen überwiegend aus dem 19. Jahrhundert und spiegeln das Interesse Brinckmanns an der Kunst der so genannten Rinpa, einer Künstlergruppe, der beide Ausnahmekünstler heute zugeordnet werden. Japanische Blockdruckbücher mit Kompositionsvorlagen dieser Lacke sowie europäische Publikationen zu japanischer Kunst des späten 19. Jahrhunderts verdeutlichen, wie unmittelbar Handeln, Sammeln und Vermitteln von Wissen über japanische Kunst in den frisch gegründeten Kunstgewerbemuseen miteinander verknüpft waren. Japanische Stapelkästen für Esswaren, aber auch Freizeitvergnügungen wie das Muschelspiel (kaiawase) sowie großzügig ausgestattete Kosmetikkästen, Kämme und Schmuck geben Einblick in den Alltag der japanischen Oberschicht.

Was alle Objekte vereint ist das Material Lack. Der milchige Saft, der aus dem Lackbaum (lat. Rhus vernicifera) gewonnen wird, ist giftig und verätzt die Haut. Erst durch die Verarbeitung wird aus ihm eine glasklare, glänzende Oberflächenversiegelung, die Hitze und Feuchtigkeit gleichermaßen standhält. Über Jahrhunderte ließ sich der pflanzliche Lack nur mit bestimmten Pigmenten einfärben, weshalb noch immer die Farben Schwarz, Rot, Gold und Perlmutt die Ästhetik der ostasiatischen Lacke dominieren. Der Lack selbst trocknet nicht, sondern unterliegt einem Polymerisationsprozess: Zum Aushärten benötigt er Sauerstoff, sodass die einzelnen Lackschichten sehr dünn und mit zeitlichem Abstand aufgetragen werden müssen. Ein hochwertiger Lack besteht durchschnittlich aus 30 einzelnen Lackschichten. Ein sehr aufwändiger chinesischer Schnitzlack aus bis zu 200 einzeln ausgehärteten Schichten. Ob Schnitzlack, Streulack oder Einlagendekor – die Verarbeitung des pflanzlichen Lackes ist sehr aufwendig und kostspielig. In Europa ist sie äußerst schwierig – neben der natürlichen Ressource fehlen die klimatischen Bedingungen. Die Polymerisation findet idealer Weise bei 30 bis 40 Grad Celsius und einer Luftfeuchtigkeit von 75 bis 85 Prozent statt. Aus diesem Grund gelang es, anders als beim Porzellan, nicht, sogenannten Chinalack oder Japanlack (urushi) in Europa industriell zu verarbeiten. Bereits im 17. Jahrhundert mehren sich aber Materialimitationen auf Objekten und Möbeln, von denen einige herausragende Beispiele aus der Sammlung des MKG in der Ausstellung präsentiert werden.

Die wissenschaftliche Erfassung der Lacksammlung geht mit der Analyse der Erwerbungspolitik für Ostasiatika unter Justus Brinckmann einher. Die Angaben auf den frühen Inventarkarten der zwischen 1873 und 1914 erworbenen Lacke ermöglichen Einblicke in die Sammler- und Händlernetzwerke für japanische Lackwaren in dieser Zeit. In diesem Zusammenhang werden sowohl einzelne herausragende Stücke mit Objektbiografien sowie wichtige Sammler und Ereignisse vorgestellt. Beispielhaft hierfür ist ein wertvoller Kosmetikkasten aus dem 15.–16. Jahrhundert, den der bedeutende Händler Hayashi Tadamasa (1853–1906) Justus Brinckmann 1904 vor seiner Rückkehr aus Paris nach Japan schenkte. Hervorzuheben sind ferner die auf der Weltausstellung in Wien 1873 erworbenen Lacke sowie eine Gruppe von Stücken aus der Sammlung der französischen Schriftsteller Edmond (1822–1896) und Jules (1830–1870) Goncourt, die zu den wichtigsten Wegbereitern des Japonismus zählen.

Ergänzt werden die vormodernen Stücke aus Ostasien um historische europäische sowie moderne und zeitgenössische Positionen. Hervorzuheben sind hier die Sitzmöbel und Kabinette, die die Wechselwirkungen zwischen europäischem und japanischem Kunsthandwerk vor Augen führen. Weitere Beispiele aus dem 20. Jahrhundert, die in die jeweiligen historischen Objektgruppen integriert sind, bezeugen die Lebendigkeit der ostasiatischen Lackkunst und ihre differenzierte Ausgestaltung zu Designobjekten. Die Insektenpräparate von Higuchi Akihiro (*1969) spiegeln die spannungsreiche Beziehung zwischen Mensch und Tier. Sie reflektieren aber auch Aneignungsprozesse von Natur und Kultur durch den Menschen in Zeiten der Globalisierung. Gerade die nachträgliche Zusammenstellung der weltweit auf Messen erworbenen Insektenpräparate zu Paaren in zurückhaltenden Holzkästen verweist auf die Künstlichkeit und den Exotismus naturwissenschaftlicher wie kulturwissenschaftlicher Sammlungen, die versuchen, das fremdartige, natürliche Chaos in artifizielle Ordnungen menschlicher Ethik und Ästhetik zu pressen.


Luxus pur. Lack aus Ostasien
28. Februar bis 26. Mai 2019
Eröffnung: 27. Februar 2019, 19 Uhr