Locarno 2009: Romantische Komödie und "Jüdischer Krieg" zur Eröffnung

Mit Marc Webbs "(500) Days of Summer" und Amos Gitais "La guerre des fils de lumière contre les fils des ténèbres" traf zur Eröffnung des 62. Filmfestivals von Locarno (5. bis 15. August 2009) eine charmant-verspielte romantische Komödie auf eine spartanische Theaterverfilmung.

Um den Sommer geht es in Marc Webbs "(500) Days of Summer" nicht. Gemeint ist mit dem Titel vielmehr eine junge Frau namens Summer Finn (Zooey Dechanel). Tom Hansen (Joseph Gordon-Levitt), aus dessen Perspektive der Film weitgehend erzählt wird, hält die Begegnung mit ihr für Schicksal und sieht in Summer die Frau seines Lebens. Dies ist - wie schon der sich immer wieder zu Wort meldende Erzähler am Beginn feststellt und damit das Folgende schon ironisch kommentiert - der Ausgangspunkt einer "Boy meets Girl"-Geschichte.

Ein fixes Schema haben solche romantischen Komödien inzwischen entwickelt, Marc Webb gelingt es aber immerhin mit vielen verspielten und liebevollen Regieeinfällen dieses Muster zu beleben und seinem Spielfilmdebüt dadurch Leichtigkeit und Charme zu verleihen. Das liegt nicht nur an den lustvoll agierenden Schauspielern, sondern mehr noch an solchen Ideen wie in Splitscreen parallel Erwartungshaltung Toms und Realität zu schildern, Schwarzweissfilme – bis hin zum Zitat von Bergmans "Das siebente Siegel" -, in denen Toms Gefühle gespiegelt werden, einzumontieren, die 12-jährige Schwester Toms als Beziehungsberaterin auftreten zu lassen oder mit der Chronologie zu brechen. Hier gibt es nämlich nicht eine klare Entwicklung der Beziehung zwischen Tom und Summer, sondern in den – durch ein liebevolles, je nach Stimmung Toms sich leicht veränderndes Kapitelbild – getrennten zahlreichen kurzen Episoden wird spielerisch zwischen den Tagen "Eins" bis "Fünfhundert" in der Beziehung und damit auch zwischen Himmelhoch Jauchzend und zu Tode betrübt hin- und hergesprungen.

Das Spiel mit "The Graduate" als Referenzfilm trägt dabei ebenso zum sympathischen Gesamteindruck bei wie ein exzellenter Soundtrack. Nichts Grosses ist so diese Komödie, die gekonnt auch über Zufall und Schicksal reflektiert, aber ein Film, der von seiner Einfallsfreude im Detail lebt und damit zu erfreuen mag.

Weit schwerere Kost legte da der Israeli Amos Gitai vor, der mit "La guerre des fils de lumière contre les fils des ténèbres" eine Verfilmung seiner Theaterinszenierung für das heurige Festival von Avignon vorlegte. Gitai erzählt auf der Grundlage des Geschichtswerks "Der Jüdische Krieg" des jüdisch-römischen Schriftstellers Josephus Flavius drei zentrale Ereignisse aus diesem zwischen 67 und 70 n. Chr. geführten Krieg nach. Schauspieler spielen dabei eine Nebenrolle, im Zentrum steht Jeanne Moreau, die als Josephus Flavius an einem Lesepult aus dem Werk rezitiert. Geschildert wird so die Eroberung Jerusalems und der anschliessende Triumphzug von Kaiser Titus, sowie der letzte Widerstand der Juden in der Festung Masada, der mit einem Massenselbstmord endete.

Die Inszenierung ist so spartanisch wie die Kulissen. Im Steinbruch von Boulbon, in dem einerseits das Steinklopfen der Juden, andererseits das Trommeln auf die Metallstangen von zwei Gerüsttürmen für eine beunruhigende Geräuschkulisse sorgen, lässt Gitai in langen Plansequenzen Moreau zitieren und dazwischen einzelne Schauspieler als Vespasian, Titus oder jüdischer Anführer Eleazar Reden halten. Im historischen Geschehen lässt sich dabei eine durchaus aktuelle Absage an Fanatismus, Grossmachtgehabe und Siegesfeiern lesen. So packend und faszinierend der Film freilich vom Thema her ist, so anstrengend macht freilich auch die ganz auf das Wort vertrauende, auf jede Dramatisierung und Dynamisierung durch Schnitte verzichtende Inszenierung diese Theaterverfilmung, die in ihrem Minimalismus an die Filme von Straub/Huillet erinnert.